Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand
Seit längerem wird kontrovers über die Umsatzsteuerpflichtigkeit von Leistungen der öffentlichen Hand diskutiert. Seit Juni 2014 liegt nunmehr ein Gesetzesvorschlag der Finanzstaatssekretäre von Bund und Ländern vor. Das Umsatzsteuerprivileg bei Beistandsleistungen und interkommunaler Kooperation würde so grundsätzlich erhalten bleiben.
Bisherige Rechtsprechung: Umsatzsteuerbefreiung bei Beistandsleistungen
Eine wichtige steuerliche Erleichterung für die öffentliche Hand war es, dass Beistandsleistungen an eine andere Behörde nach hergebrachter Auffassung nicht umsatzsteuerpflichtig waren. Nach einheitlicher Rechtsprechung wurde dies damit begründet, dass es im Rahmen des für alle Behörden verbindlichen Grundsatzes der gegenseitigen Hilfeleistung liege, dass eine Behörde die Aufgaben einer anderen Behörde übernehme, wenn sie ohne Beeinträchtigung ihres eigenen Aufgabenkreises dazu in der Lage sei und damit die Aufgaben der anderen Behörde auf deren Ersuchen zu erleichtern trachte, auch wenn sie dabei einen angemessenen Auslagensatz erhalte (so bereits BFH, Urteil vom 12.12. 1968, Az.: V 213/65).
Abkehr des BFH durch richtlinienkonforme Auslegung
Der BFH hat diese Rechtsprechung mit seinem Urteil vom 10.11.2011 (Az.: V R 41/10) aufgrund einer unionsrechtlich richtlinienkonformen Auslegung des UStG aufgegeben: Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2006/112/EG sieht die öffentliche Hand als steuerpflichtig an, wenn die Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
Die gleichen Grundsätze müssten auch für Beistandsleistungen gelten, denn die richtlinienkonforme Auslegung des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG lasse es nicht zu, diese von der Umsatzsteuer auszunehmen, wenn diese zwar auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, dabei jedoch im Wettbewerb zu Leistungen Privater erbracht werden.
Nachfolgende Urteile vom 01.12.2011 (Az.: V R 1/11) und vom 14.03.2012 (Az.: XI R 8/10) bestätigen diese Linie.
Bestimmung des Begriffs der „größeren Wettbewerbsverzerrungen“
Zum zentralen Begriff der „größeren Wettbewerbsverzerrung“ führt der BFH aus, dass – in Übereinstimmung mit dem EuGH in seiner „Isle of Wight Council“-Entscheidung – keine erheblichen oder außergewöhnlichen Wettbewerbsverzerrungen nötig seien. Zu berücksichtigen sei nicht nur der gegenwärtige, sondern auch der potentielle Wettbewerb. Es komme außerdem nicht auf die Verhältnisse auf dem lokalen Markt an (BFH; Urt. v. 10.11.2011, Az.: V R 41/10; Urt. v. 01.12.2011, Az.: V R 1/11). Bei der Bewertung des potentiellen Wettbewerbs müsse allerdings die reale Möglichkeit für einen privaten Wirtschaftsteilnehmer bestehen, in den relevanten Markt einzutreten (BFH, Urt. v. 01.12.2011, Az.: V R 1/11).
Noch keine Bindungswirkung der Rechtsprechung
Bislang wurden alle drei Urteile noch in keinem Bundesland von den Oberfinanzdirektionen veröffentlicht. Erst durch eine Veröffentlichung im Bundessteuerblatt Teil II werden die Finanzämter angewiesen, die neue Rechtsprechung auch in anderen Fällen anzuwenden. Die Oberfinanzdirektion Niedersachsen hat in einer Verfügung vom 27.07.2012 (Az.: S 7106 – 283 St 171) bekannt gegeben, dass die Urteile zurzeit nicht veröffentlicht werden. Allerdings soll es nicht beanstandet werden, wenn sich eine juristische Person des öffentlichen Rechts auf diese Urteile beruft. Dies könne aber nur einheitlich und nicht auf bestimmte Umsätze oder Unternehmensteile beschränkt erfolgen.
Der neueste Gesetzesvorschlag
Der neueste Vorstoß in der Diskussion ist ein Gesetzesvorschlag der Finanzstaatssekretäre von Bund und Ländern für eine Neuregelung in § 2b UStG-E (Stand Juni 2014).
Nach diesem Vorschlag soll ein neuer § 2b in das UStG eingeführt werden, der den Unternehmerbegriff aus § 2 UStG für juristische Personen des öffentlichen Rechts näher definieren und teilweise einschränken soll. Der Entwurf versucht dabei, die Vorgaben der EU-Richtlinie und -Rechtsprechung, die BFH-Rechtsprechung und die Interessen der Kommunen zu vereinen.
Die Umsetzung dieses Vorschlags würde u.a. dazu führen, dass nur noch Tätigkeiten im Rahmen öffentlich-rechtlicher Handlungsformen (öffentlich-rechtlicher Vertrag, öffentlich-rechtliche Vereinbarung bzw. Zweckvereinbarungen, Verwaltungsakt) von der Umsatzsteuerpflicht befreit wären, soweit dies nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würden. Bei einem aus gleichartigen Tätigkeiten erzielten Umsatz von bis zu 17.500 € im Jahr würde unwiderleglich vermutet, dass eine größere Wettbewerbsverzerrung nicht vorliege.
Zum anderen wird mit diesem Vorschlag der Versuch unternommen, die kommunale Zusammenarbeit und damit auch die Beistandsleistungen von der Umsatzsteuer freizustellen. Hierbei werden tatbestandliche Voraussetzungen sowohl aus dem EU-Beihilferecht als auch aus der Rechtsprechung zur Inhouse-Fähigkeit bzw. zur kommunalen Kooperation kombiniert.
Wir werden über den weiteren Fortgang dieses Gesetzgebungsvorschlags berichten.