Ausschluss eines Ratsmitglieds

Ausschluss eines Ratsmitglieds durch Ratsbeschluss nur in engen Grenzen zulässig

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig hat heute ent­schie­den, dass der Rat einer Stadt eines sei­ner Mit­glie­der nur dann aus dem Rat aus­schlie­ßen darf, wenn dies zur Auf­recht­er­hal­tung oder Wie­der­her­stel­lung der Ar­beits­fä­hig­keit des Rates ge­bo­ten ist.


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Die Ge­set­zes­vor­schrift der rhein­land-pfäl­zi­schen Ge­mein­de­ord­nung, die den Aus­schluss vor­sieht, wenn das Rats­mit­glied rechts­kräf­tig zu einer Frei­heits­stra­fe von min­des­tens drei Mo­na­ten ver­ur­teilt wird und es da­durch die für ein Rats­mit­glied er­for­der­li­che Un­be­schol­ten­heit ver­wirkt hat, hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ent­spre­chend ein­schrän­kend aus­ge­legt.

Der Klä­ger wurde 2009 in den Rat der be­klag­ten Stadt ge­wählt. Weil er im Vor­feld der Wahl maß­geb­lich daran be­tei­ligt war, dass ein po­li­ti­scher Geg­ner ver­prü­gelt wurde, der Wahl­pla­ka­te der Par­tei des Klä­gers ab­ge­hängt hatte, wurde er vom Land­ge­richt mit Ur­teil vom 22. De­zem­ber 2010 wegen ge­mein­schaft­lich be­gan­ge­ner ge­fähr­li­cher Kör­per­ver­let­zung zu einer Frei­heits­stra­fe von sie­ben Mo­na­ten ver­ur­teilt, deren Voll­stre­ckung zur Be­wäh­rung aus­ge­setzt wurde. Das Ur­teil ist seit Au­gust 2011 rechts­kräf­tig. Weil dem Klä­ger des­halb die für ein Rats­mit­glied er­for­der­li­che Un­be­schol­ten­heit fehle, er­kann­te ihm der Stadt­rat mit Be­schluss vom 22. Sep­tem­ber 2011 das Man­dat ab.

Die Klage hier­ge­gen wurde von den Vor­in­stan­zen ab­ge­wie­sen. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Ko­blenz hielt den Aus­schluss unter engen Vor­aus­set­zun­gen für zu­läs­sig, die hier aber ge­ge­ben seien. Ins­be­son­de­re stehe die Straf­tat, de­ret­we­gen der Klä­ger ver­ur­teilt wor­den war, in sach­li­chem Zu­sam­men­hang mit der Wahr­neh­mung sei­nes Stadt­rats­man­dats, wes­halb sie ge­eig­net sei, das An­se­hen des Stadt­rats in der Be­völ­ke­rung her­ab­zu­wür­di­gen. Die­ser Ge­fahr habe der Stadt­rat durch den Aus­schluss des Klä­gers be­geg­nen dür­fen.

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat der Re­vi­si­on des Klä­gers statt­ge­ge­ben und den Aus­schluss für rechts­wid­rig er­klärt. Al­ler­dings ist es der Ar­gu­men­ta­ti­on des Klä­gers nicht ge­folgt, der die ge­setz­li­che Aus­schluss­re­ge­lung für ver­fas­sungs­wid­rig und nich­tig hielt. Die Vor­schrift ist viel­mehr bei ein­schrän­ken­der Aus­le­gung mit der Ver­fas­sung ver­ein­bar. Sie steht mit dem ver­fas­sungs­recht­lich ver­bürg­ten Grund­satz der All­ge­mein­heit der Wahl im Ein­klang, da sie die Wähl­bar­keit un­be­rührt lässt. Auch der Grund­satz der Un­mit­tel­bar­keit der Wahl ist nicht be­trof­fen, weil der Aus­schluss nicht das Ge­wählt­sein des Klä­gers in Frage stellt, son­dern an wahl­frem­de Um­stän­de an­knüpft. Der Grund­satz der Gleich­heit der Wahl ist durch eine ein­schrän­ken­de Aus­le­gung der Vor­schrift zu wah­ren. Er lässt den Aus­schluss eines ge­wähl­ten Rats­mit­glieds nur aus ver­fas­sungs­recht­lich an­er­kann­ten Grün­den mit min­des­tens glei­chem Ge­wicht zu. Der Ge­sichts­punkt des An­se­hens­ver­lusts in den Augen der Öf­fent­lich­keit, auf den der Rat den Aus­schluss ge­stützt hatte, reicht da­nach eben­so wenig hin wie der vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­sätz­lich an­ge­führ­te Ge­sichts­punkt der Re­prä­sen­ta­ti­ons­fä­hig­keit des Rates, die ge­fähr­det sei, wenn der Rat selbst das Ver­trau­en der Wäh­ler ver­lie­re. In Be­tracht kommt al­len­falls der Schutz der Funk­ti­ons­fä­hig­keit des Rates, wenn des­sen Ar­beits­fä­hig­keit in­fol­ge der Straf­tat be­ein­träch­tigt wird. Auf die­sen Ge­sichts­punkt hatte der Rat der be­klag­ten Stadt den Aus­schluss des Klä­gers aber nicht ge­stützt.

BVerwG 10 C 11.14 - Ur­teil vom 21. Ja­nu­ar 2015

Vor­in­stan­zen:

OVG Ko­blenz 10 A 10573/12 - Ur­teil vom 15. März 2013

VG Trier 1 K 1302/11.​TR - Ur­teil vom 08. Mai 2012

 

Aus­zug aus der Ge­mein­de­ord­nung von Rhein­land-Pfalz:

§ 31

  1. Ein Rats­mit­glied, das nach sei­ner Wahl durch Ur­teil eines deut­schen Straf­ge­richts rechts­kräf­tig zu einer Frei­heits­stra­fe von min­des­tens drei Mo­na­ten ver­ur­teilt wird, kann durch Be­schluss des Ge­mein­de­rats aus dem Ge­mein­de­rat aus­ge­schlos­sen wer­den, wenn es durch die Straf­tat die für ein Rats­mit­glied er­for­der­li­che Un­be­schol­ten­heit ver­wirkt hat. Der Ge­mein­de­rat kann den Be­schluss nur in­ner­halb eines Mo­nats, nach­dem er von der Ver­ur­tei­lung Kennt­nis er­hal­ten hat, fas­sen. Der Bür­ger­meis­ter hat den Ge­mein­de­rat zu un­ter­rich­ten, so­bald er von der Ver­ur­tei­lung Kennt­nis er­langt.
  2. ...
  3. Be­schließt der Ge­mein­de­rat den Aus­schluss eines Mit­glieds, so schei­det die­ses vor­läu­fig aus. Die Er­satz­per­son wird nach dem Kom­mu­nal­wahl­ge­setz be­stimmt. Sie tritt ihr Amt je­doch erst an, wenn der Aus­schluss un­an­fecht­bar ge­wor­den ist.
  4. ...
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