Baupreisexplosion – Preisgleitklauseln bei Vergaben

Momentan explodieren die Baupreise. Preisgleitklauseln bieten für Unternehmen die Möglichkeit, gestiegene Kosten an die Auftraggeber weiterzugeben. Die öffentliche Hand hat das aktuelle Thema aufgegriffen.


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Grundsätze

Preisgleitklauseln müssen bei Auftragserteilung ausdrücklich vereinbart werden. Übliche Preisgleitklauseln betreffen Lohn- und/oder Materialkosten; Preisgleitklauseln können aber auch andere Kostenarten betreffen, die die Kalkulation des Unternehmers berühren, wie steigende Energiekosten oder höhere Sozialabgaben für die Beschäftigten. Preisgleitklauseln können einseitig zugunsten des Auftragnehmers bei Preissteigerungen ausgestaltet sein, aber auch beidseitig für den Fall, dass die bei Angebotserstellung kalkulierten Preise in dieser Höhe bei Projektverlauf doch nicht eintreten. Dann können vereinbarte Preisgleitklauseln dazu führen, dass Korrekturen zugunsten des Bauherrn/Auftraggebers möglich werden. Preisgleitklauseln sind sowohl bei Einheits- als auch bei Pauschalpreisverträgen möglich.

Auftraggeber ist privater Bauherr

Hier gilt Vertragsfreiheit, was vereinbart wird. Der Markt ist generell sehr angespannt, die Verhandlungsposition von Unternehmen ist deshalb gut, um eine Stoffgleitklausel mit zu vereinbaren und einen Vertrag nur unter der Bedingung einer solchen Klausel überhaupt abzuschließen.

Gängige Preisgleitklauseln (insbesondere der öffentlichen Hand, siehe unten) knüpfen an Baukostenindizes an. In der aktuellen Situation dürfte dies ein zu träger Mechanismus sein. Es sollte mithin ausgehandelt werden, welche Nachweise für die veränderten Baustoffpreise vom Auftragnehmer vorlegt werden müssen: Soll die Mitteilung des Baustofflieferanten des Auftragnehmers ausreichend sein? Muss der Auftragnehmer Alternativangebote anderer Baustofflieferanten einholen, um die Marktüblichkeit von Preissteigerungen objektiver nachzuweisen? Des Weiteren muss der zeitliche Anwendungsbereich geklärt sein und eine sinnvolle Abrechnungsschnittstelle gefunden werden: Soll die Preisanpassung generell schon ab der Mitteilung des Auftragnehmers gelten? Oder erst für die nächste Materialbestellung, die unter die geänderten Preise fällt?

Auftraggeber ist öffentliche Hand – Erlass des BMI

Die öffentliche Hand hat für die Vergabepraxis das Thema aufgegriffen. Mit Erlass vom 21. Mai 2021 hat das Bundesministerium für Inneres, für Bau und Heimat (BMI), Aktenzeichen: BW I 7 - 70437/9#3) Regelungen zu Lieferengpässen und Stoffpreisänderungen diverser Baustoffe erlassen. Diese Regelungen sind teilweise unverändert oder mit kleineren Anpassungen von den Bundesländern übernommen worden. Folgende Grundsätze gelten im Bereich der öffentlichen Auftragsvergaben:

Das BMI verweist auf das Formblatt „Stoffpreisklausel“ (Formblatt 225) aus dem gängigen und vielfach zur Anwendung kommenden Vergabehandbuch für die Baumaßnahmen des Bundes (VHB). Dieses sei bisher in Verbindung mit schwankenden Stahlpreisen zum Einsatz gekommen, könne aber „ebenso auch für andere Stoffe verwendet werden, soweit im Güterverzeichnis des Statistischen Bundesamtes Indizes dafür veröffentlicht werden“.

Der öffentliche Auftraggeber muss vor Einleitung eines neuen Vergabeverfahrens prüfen, ob die Voraussetzungen für die Vereinbarung von Stoffgleitklauseln vorliegen. Hierbei sind die vom Statistischen Bundesamt erfassten und veröffentlichten Indizes der entsprechenden Erzeugerpreise gewerblicher Produkte einzubeziehen. Insbesondere Sprünge von mehreren Indexpunkten pro Monat sind, so das BMI, ein Indiz eines mit der Vereinbarung fester Preise einhergehenden, besonders hohen Wagnisses der Bieter, dass die Vereinbarung von Stoffgleitklauseln nahelegt.

Für laufende Vergabeverfahren gilt nach BMI: Die Stoffpreisklausel kann nachträglich durch die Vergabestelle noch einbezogen werden, und zwar so lange, bis die Submission der Angebote noch nicht erfolgt ist. Ist die Submission bereits erfolgt, soll die Vergabestelle prüfen, ob durch Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in die Angebotsphase die Einbeziehung einer Stoffgleitklausel ermöglicht wird.

Für bestehende Verträge mit der öffentlichen Hand teilt das BMI mit: Eine Anpassung kommt nur in besonders begründeten Ausnahmefällen auf der Grundlage der „Störung der Geschäftsgrundlage“ nach § 313 Abs. 1 BGB in Betracht. Zudem verweist das BMI auf die Möglichkeit verlängerter Ausführungsfristen nach § 6 Abs. 2 VOB/B.

Vergaberechtlicher Anknüpfungspunkt für Preisgleitklauseln ist der bieterschützende Grundsatz, dass den Bietern kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden darf und § 9d VOB/A die Möglichkeit vorsieht, dass für den Fall, das wesentliche Änderungen der Preisermittlungsgrundlagen zu erwarten sind, deren Eintritt oder Ausmaß ungewiss sind, eine angemessene Änderung der Vergütung in den Vertragsunterlagen vorgesehen werden, ferner die Einzelheiten der Preisänderungen festzulegen sind. Das BMI knüpft pragmatisch an die Baupreisindizes des Statistischen Bundesamtes an. Das ist nicht ideal, wird sich aber bei einer Vielzahl öffentlicher Auftragsvergaben nicht anders regeln lassen.

Bieterperspektive

Aus Bieterperspektive ist Folgendes wichtig: Wenn keine Preisgleitklausel und das VHB-Formblatt 225 nicht Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen sind, fügen Sie es nicht selbständig und ungefragt Ihrem Angebot bei. Das wäre ein klassischer Ausschlussgrund. Rügen Sie vor Angebotsabgebe bei der Vergabestelle, wenn Sie der Auffassung sind, eine Preisgleitklausel müsse aufgenommen werden. Die Vergabestelle muss sich inhaltlich mit dem Thema beschäftigen und die Abwägungsentscheidung in seiner Vergabeakte begründen. Entweder hilft die Vergabestelle einer entsprechenden Rüge ab und bezieht Preisgleitklauseln in das laufende Verfahren ein, wie es sich das BMI auch vorstellt, oder es besteht aus Bietersicht bei negativer Entscheidung die Möglichkeit, ein Vergabenachprüfungsverfahren zur verbindlichen Klärung in die Wege zu leiten.

Link zur Homepage: www.ggsc.de 

Gaßner, Groth, Siederer & Coll. [GGSC]