Änderung im Bundesnaturschutzgesetz nimmt geschützte Arten wie Fischotter, Luchs und Kegelrobbe ins Fadenkreuz

Deutsche Umwelthilfe kritisiert heute verabschiedete Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes 

Erleichterung der letalen Entnahme für geschützte Arten europarechtswidrig und eine Gefahr für den Artenschutz – DUH kündigt kritische Begleitung der Umsetzung an


Voller Zugriff auf den Tagesanzeiger – Registrieren Sie sich jetzt kostenlos!

Um den vollständigen Artikel im Tagesanzeiger zu lesen, melden Sie sich bitte in Ihrem Themennetzwerke®-Konto an. Die Registrierung bei Themennetzwerke® ist kostenlos und ermöglicht Ihnen den vollständigen Zugang zum Tagesanzeiger und vielem mehr.

Falls Sie den Tagesanzeiger bereits auf kommunalwirtschaft.eu abonniert hatten und davor keinen Themennetzwerke® Account registriert hatten, dann klicken Sie auf den folgenden Link, um Ihr Passwort zu Ihrer bereits registrierten E-Mail-Adresse hinzuzufügen: Passwort für kommunalwirtschaft.eu Abonnenten hinzufügen

Jetzt einloggen Kostenlos registrieren

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hält die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes für europarechtswidrig, da sie strenge Vorgaben des Artenschutzrechts für Ausnahmegenehmigungen für den Abschuss geschützter Tierarten unterläuft. Der Umwelt- und Verbraucherschutzverband sieht durch die Novelle den Bestand geschützter Arten wie Fischotter, Kegelrobbe und Luchs in Deutschland in Gefahr. Die DUH kritisiert, dass ein möglicher Einspruch des Bundesrats gegen die Gesetzesnovelle ausblieb, und kündigt an, den Vollzug durch die Bundesländer genau zu beobachten. Im Vorfeld hatten Naturschutzverbände Bundestag und Bundesrat mehrfach aufgefordert, den geplanten Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes nicht zuzustimmen.

Mit der Novelle wird nicht nur der umstrittene Paragraf 45a zum Umgang mit dem Wolf hinzugefügt, der den Abschuss von Mitgliedern eines Wolfsrudels unabhängig davon ermöglicht, ob den jeweiligen Einzeltieren der Riss eines Nutztieres überhaupt nachgewiesen werden kann. Hinzu kommt eine Aufweichung des Paragrafen 45 Absatz 7. Diese könnte als Türöffner für den Abschuss anderer seltener Arten wie Fischotter, Kegelrobbe oder auch Luchs genutzt werden, bei dem es ohnehin schon eine nicht unerhebliche Dunkelziffer illegaler Abschüsse gibt.

Die DUH hält die bisher geltende Rechtsgrundlage für Ausnahmegenehmigungen zur sogenannten letalen Entnahme, die quasi einen Abschuss bedeutet, bei bedrohten Tierarten für ausreichend. Auch da diese in einigen Ländern wie etwa Nordrhein-Westfalen durch sinnvolle Verwaltungsvorschriften für eine angemessene und gleichmäßige Anwendung untersetzt wurden. Die DUH wertet die Neuregelung im Bundesnaturschutzgesetz als kurzsichtigen und fehlgehleiteten Versuch, den Konflikt zwischen heimkehrenden Wildtieren und betroffenen Nutzergruppen zu befrieden.

„Ein Bestands-Management mit der Jagdwaffe ist selten wirksam, weil die Reviere oft schnell durch andere Tiere der gleichen Art wiederbesetzt werden. Zumindest so lange, bis sich der leicht positive Trend der Populationsentwicklung bei Fischotter, Wolf und Co. wieder umkehrt. Dann kann erneut eine stärkere Bestandsgefährdung das Management-Ergebnis sein, anstatt dass der durch EU-Recht vorgegebene günstige Erhaltungszustand erreicht wird“, kritisiert DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner.

Maßnahmen für ein Bestandsmanagement, die das Risiko bergen, dass die Erreichung eines guten Erhaltungszustandes der Art gefährdet wird, widersprechen geltendem EU-Recht. Mit seinem Urteil vom 10.10.2019 nimmt der Europäische Gerichtshof die zuständigen Behörden in die Pflicht, für jede Abschussgenehmigung wissenschaftlich zu belegen, dass der Abschuss einem zuvor klar definierten Ziel dient und dass es keine alternativen Maßnahmen dazu gibt. Weiterhin wird in dem Urteil klar geregelt, dass Entnahmen nur zulässig sind, wenn sie den Erhaltungszustand im natürlichen Verbreitungsgebiet nicht negativ beeinträchtigen.

Die DUH sieht die Länder deshalb weiter in der Pflicht, das EU-Artenschutzrecht zu respektieren und auf fachlich fundierte, dem Vorsorgeprinzip Rechnung tragende Lösungsstrategien zu setzen. Sonst führt der Versuch, durch die Novelle den Abschuss seltener Arten zu erleichtern, letztlich zu einer größeren Rechtsunsicherheit, da Vertragsverletzungsverfahren drohen und Schäden verstärkt auftreten, wenn zugunsten vermeintlich einfacherer Alternativen zu wenig in Abwehrmaßnahmen investiert wird. „Die Förderung von Präventivmaßnahmen zur Konfliktminderung, wie Aufklärung und Forschung, die die fachlichen Voraussetzungen für ein wirksames, artenschutzkonformes Management schaffen, müssen weiter ganz oben auf der Prioritätenliste stehen“, fordert Sabrina Schulz, Projektleiterin Lebendige-Flüsse bei der DUH.

Hintergrund:

Die DUH engagiert sich bundesweit dafür, dem Fischotter zu einer Rückkehr an Deutschlands Flüsse zu verhelfen. Dafür müssen Wanderhindernisse für Tiere beseitigt und Flüsse samt ihren Auen naturnah entwickelt werden, damit sie ihren Funktionen als Lebensraum und Wanderkorridor wieder gerecht werden. Dann finden zahlreiche Tier- und Pflanzenarten wieder eine Heimat und wandernde Tierarten können die Landschaft auf sicheren Pfaden abseits der Straßen durchqueren. Wichtig ist auch, dass Konflikte mit Nutzergruppen am Gewässer nicht in Abschusspläne münden. Die DUH setzt sich hier ebenso für eine fachlich fundierte und lösungsorientierte Debatte ein wie an der vorpommerschen Ostseeküste, wo sie gemeinsam mit anderen Verbänden ein Wildtiermanagement unterstützt, das sowohl den zurückgekehrten Kegelrobben als auch den handwerklich arbeitenden Küstenfischern zugutekommt, die in Folge der Überfischung vor allem durch industrielle Fisch-Trawler in ihrer beruflichen Existenz bedroht sind.

DUH Deutsche Umwelthilfe e.V. direkter Link zum Artikel