Kaminer erwärmt die Kanzlerin fürs Klima

Eine Sonderbotschaft der Deutschen Umwelthilfe zur Klimakonferenz in Kattowitz.

Von Wladimir Kaminer


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Schriftsteller Wladimir Kaminer veröffentlicht mit DUH offenen Brief und Videobotschaft an Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich der Klimakonferenz in Kattowitz (COP 24) – DUH begleitet die Klimakonferenz in einer Artikelserie – DUH sieht Politik der Bundesregierung als Hauptbremse für den europäischen Klimaschutz

Berlin, 3.12.2018: Mit einem literarischen Augenzwinkern zeigt der Schriftsteller Wladimir Kaminer Schnittpunkte seines Alltags zum Klimaschutz auf.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) möchte Menschen ermöglichen, das Thema Klimaschutz nicht nur von einer technischen, sondern auch einer literarischen Seite aus zu betrachten.

Gemeinsam mit Wladimir Kaminer fordert die DUH die Bundeskanzlerin auf, Deutschland wieder zum Vorreiter in der internationalen Klimapolitik zu machen..

Die DUH kritisiert die Politik der Bundesregierung als Hauptbremse für den europäischen Klimaschutz. In einer fortlaufenden Artikelserie zur COP 24 begleitet die DUH die Klimakonferenz vom 2. bis zum 14. Dezember 2018 mit Vorschlägen zur deutschen und europäischen Klimapolitik.

Eine Sonderbotschaft zur Klimakonferenz in Kattowitz (Katowice):

„Sehr geehrte Bundeskanzlerin, liebe Frau Merkel,

wie geht es Ihnen? Ich weiß, Sie sind das ganze Jahr über unterwegs gewesen, wir haben uns in Chemnitz knapp verpasst. Meine Lesereisen sind wetterabhängig. Wenn es draußen dunkel und kalt wird, gehen die Menschen besonders gerne zu Lesungen und Konzerten. Es wird doch auch dieses Jahr kalt, oder? Ich weiß, dass Sie eine vielbeschäftigte Frau sind. Migration, Wirtschaftswachstum, soziale Gerechtigkeit, geeintes Europa, Sie haben viel zu tun. Aber Sie wissen, so hoffe ich, dass all diese Aufgaben nur relevant sind, wenn wir den Klimawandel in den Griff bekommen.

Bei uns im Dorf in Brandenburg setzen die Menschen auf erneuerbare Energien, sie haben Solarzellen auf den Dächern und Windmühlen draußen auf dem Feld stehen. Ihre Boote fahren sie mit Elektromotoren, auf diese Weise lässt sich die Seenlandschaft Brandenburgs am besten erkunden. Man gleitet geräuschlos übers Wasser und kann dem Biber und den Kranichen ganz nahekommen, wenn sie am Ufer sitzen. Sie sind dieses Jahr nämlich gar nicht in den Süden geflogen, letztes Jahr war es nicht kalt genug dafür und die Vögel hoffen nun auf einen ähnlich milden Winter. In der Stadt aber fahren die Bürger Geländewagen, sie sind immer ganz sauber, so als wären sie nie abseits der Straße unterwegs. Sie brauchen viel Platz und viel Sprit. Wissen ihre Fahrer, wenn sie ins Schwitzen kommen, dass es dank ihrer Autos seit Jahren zu keiner CO2-Reduzierung kommt?

Vor vielen Jahren, als ich gerade zu schreiben begann, schien Deutschland auf den Klimawandel vorbereitet zu sein, überall wurden Windmühlen gebaut, jedes Jahr stieg der Anteil erneuerbarer Energien. Sie waren doch auch damals schon Kanzlerin. Was ist seitdem passiert? Heute lese ich, dass laut dem „Klimabericht“ bis 2020 statt 40 Prozent weniger CO2 nur 32 Prozent erreicht werden. Warum hat Deutschland den Anschluss verloren? Und warum gibt es noch keinen Plan, die Kohlekraftwerke abzuschalten, obwohl sie zu viel C02 erzeugen? Die Warnungen der Klimaforscher hatten nie Vorrang in der Politik, inzwischen sind sie zu lästigen Unkenrufen degradiert.

Ganz vorne stehen wirtschaftliche Interessen und ökonomische Zwänge, sie bilden einen festen Vorhang, der uns nicht weiter blicken lässt. Hinter dem Vorhang atmet aber die Klimakatastrophe, ihr heißer Atem ist gut zu spüren, wenn wir einmal still bleiben und zuhören.

Das Eis schmilzt. Unzählige Lebensarten haben bereits den Planeten verlassen, warum sollen die Menschen eine Ausnahme sein, wenn sie nicht denken und nicht handeln wollen? Zurzeit scheinen sie bereit, alles zu verheizen, was brennt: Braunkohle, Steinkohle, Torf, Erdgas und Erdöl – alles Abbauprodukte von toten Pflanzen und Tieren. Die Pflanzen und die Tiere, die heute sterben, wird man wahrscheinlich nicht mehr als fossile Brennstoffe nutzen können, weil niemand mehr da sein wird, der ihre Wärme braucht. Wissen die Bürger darüber Bescheid? Ich frage Sie, verehrte Bundeskanzlerin, weil die Politik meiner Meinung nach den Bürgern einiges an Aufklärung schuldet.

Bei allem Respekt, wenn wir den Klimawandel nicht stoppen, wird uns alles andere nicht retten. In Berlin sehe ich viele Baustellen, neue Häuser werden gebaut, das ist gut für die Menschen, die eine Wohnung suchen. Aber warum werden die vorhandenen Häuser kaum restauriert? Es sind doch viel mehr und sie verbrauchen doch noch viel mehr Energie. Dann lese ich in der Zeitung, dass Deutschland jetzt CO2-Zertifikate zukaufen muss, weil bei Gebäuden und im Verkehr nicht genug eingespart wird. Das macht nachdenklich. Deutschland, eines der reichsten Länder der Welt, lange Vorbild für die Energiewende, kauft zu, weil die Politik nicht beherzt genug ist, die Probleme in den Griff zu bekommen.

Ich spreche oft mit meinem Freund Peter Ahmels von der Deutschen Umwelthilfe über den Klimawandel. Er will ihn aufhalten. Von ihm weiß ich, dass weltweit die Hälfte aller Menschen küstennah wohnt. Und dass für Viele die Küstenveränderungen und steigenden Meeresspiegel schon heute eine Überlebensfrage sind. Als alteingesessener Küstenbewohner will er dazu beitragen, dass es nicht soweit kommen muss, dass Menschen ihre Orte verlassen müssen, weil sie keinen Boden mehr unter den Füßen haben.

Brandenburg hat keine Küste, wir spüren ihn aber auch, den Klimawandel. Brandenburg versteppt. Liebe Frau Bundeskanzlerin, lassen Sie das Klima nicht verdursten. Seien Sie mutiger, geben Sie CO2 einen Preis, bevor es uns alle richtig teuer zu stehen kommt. Rufen Sie die Bürger dazu auf: Sie sollen Bäume pflanzen und nicht nur verbrennen! Ich habe übrigens im Herbst in meinem Garten eine große Einpflanzung hinter mich gebracht. 120 Tannenbäume, sie sind vorerst nur 20 Zentimeter groß, müssen aber in drei bis vier Jahren eine gute Größe haben. Die Idee kam von meinem Dorfnachbarn. Er hatte im Fernsehen erfahren, dass durch die extreme Sommerhitze viele Tannen eingegangen waren, so dass es in ein paar Jahren Engpässe bei den Weihnachtsbäumen geben könnte.

Sofort kam er zu mir mit einer Geschäftsidee. Wladimir, meinte er. Du hast viel Platz in deinem Garten, lass uns Weihnachtsbäume züchten. Mit einem Erdbohrer haben wir 120 Löcher gebohrt, gute Erde reingetan und kräftig gegossen. Wenn Sie, liebe Bundeskanzlerin in vier Jahren einen Weihnachtsbaum brauchen, oder auch zwei, Sie wissen jetzt, wo sie einen finden. Melden Sie sich bitte, ein Anruf genügt.

Wladimir Kaminer“

Links:

Deutsche Umwelthilfe e.V. direkter Link zum Artikel