Anweisung der Kommunal­aufsicht, eine Straßenbeitrags­satzung zu erlassen

Bei defizitärer Haushaltslage muss eine Gemeinde alle Möglichkeiten zur Einnahmenbeschaffung ausschöpfen, wozu auch die Erhebung von Straßenbeiträgen und der Erlass der hierfür erforderlichen Straßenbeitragssatzung gehören.

Dem Urteil des VGH Hessen vom 12. Januar 2018 – 8 A 1485/13 –zufolge kann die Kommunalaufsicht eine Gemeinde gem. § 139 HGO zum Erlass einer solchen Satzung anweisen, wenn die Gemeinde die ihr gesetzlich obliegenden Pflichten oder Aufgaben nicht erfüllt.


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Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt, da die Klägerin wegen ihrer defizitären Haushaltslage zum Erlass einer Straßenbeitragssatzung verpflichtet gewesen sei und gegen diese Pflicht verstoßen habe. Eine Pflicht zum Erlass einer Straßenbeitragssatzung ergebe sich regelmäßig aus den der Gemeinde durch die Hessische Gemeindeordnung i.d.F. vom 7. März 2012 (HGO 2012) auferlegten haushaltswirtschaftlichen Pflichten. Die Gemeinde habe ihr Vermögen und ihre Einkünfte so zu verwalten, dass die Gemeindefinanzen gesund blieben (§ 10 Satz 1 HGO 2012). Sie habe zudem ihre Haushaltswirtschaft so zu planen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert sei (§ 92 Abs. 1 Satz 1 HGO 2012). Gleichzeitig solle der Haushalt in jedem Haushaltsjahr unter Berücksichtigung von Fehlbeträgen aus den Vorjahren ausgeglichen sein (§ 92 Abs. 3 Satz 1 HGO 2012).

Haushaltsausgleich als Soll-Vorschrift

Sei der Haushaltsausgleich danach als Soll-Vorschrift ausgestaltet, bedeute dies für die Gemeinde grundsätzlich die Verpflichtung, den Haushaltsausgleich auch tatsächlich herbeizuführen und dazu alle notwendigen Maßnahmen auf der Einnahmen- und Ausgabenseite zu treffen. Der Gesetzgeber mit der Ausgestaltung als Soll-Regelung lediglich der Situation Rechnung tragen wollen, in der es einer Gemeinde trotz aller Anstrengungen in einem Haushaltsjahr nicht gelinge, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen. In diesem Fall solle ein Abweichen von der Verpflichtung zum ausgeglichenen Haushalt (ausnahmsweise) möglich sein, ohne dass hierin eine Gesetzesverletzung liege. Vorrangig seien jedoch Sparsamkeit und die Ausschöpfung sämtlicher Einnahmemöglichkeiten. Der Grundsatz des Haushaltsausgleichs sei ein elementarer Grundsatz des Rechts der öffentlichen Haushalte, der auch und gerade bei angespannter Finanzlage nichts an Bedeutung verliere.

Dementsprechend regele § 93 HGO 2012 die Grundsätze zur Erzielung von Erträgen und Einzahlungen. Gemäß § 93 Abs. 1 HGO 2012 erhebe die Gemeinde Abgaben nach den gesetzlichen Vorschriften, d.h. sie sei zur Abgabenerhebung verpflichtet. Nach § 93 Abs. 2 HGO 2012 habe eine Gemeinde die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Einnahmen soweit vertretbar und geboten aus Entgelten für ihre Leistungen, ansonsten aus Steuern zu beschaffen, sofern die sonstigen Einnahmen nicht ausreichten. Nach § 93 Abs. 3 HGO 2012 dürfe sie Kredite nur aufnehmen, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich sei oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Diese Bestimmungen stellten keine bloßen Zielvorgaben dar, die die Gemeinde aufgrund von Zweckmäßigkeitsüberlegungen befolgen oder auch nicht befolgen könne, sondern sie enthielten gesetzliche Verpflichtungen, deren Nichtbeachtung das Recht verletze. Mit der Regelung in § 93 Abs. 2 HGO 2012 werde den Gemeinden eine Rangfolge zur Einnahmebeschaffung vorgegeben, wobei die speziellen Deckungsmittel vorrangig eingesetzt werden müssten und Steuern als allgemeine Deckungsmittel nur subsidiär herangezogen werden könnten. § 93 Abs. 2 HGO 2012 lege der Gemeinde mithin die Pflicht auf, alle Möglichkeiten der Einnahmenbeschaffung auszuschöpfen, bevor sie auf die Erhebung von Steuern zurückgreife. Im Falle eines defizitären Haushalts müsse sie ihre Kräfte zur Sanierung des notleidenden Haushalts bis zur Grenze des ihr rechtlich Möglichen anstrengen, was auch und gerade die Erhebung aller rechtlich zur Verfügung stehenden Abgaben umfasse.

Erhebung von Straßenbeiträgen

Die Pflicht, gem. § 93 Abs. 1 HGO 2012 Abgaben zu erheben, umfasse auch die Erhebung der in § 11 Abs. 1 und 3 KAG 2005 geregelten Straßenbeiträge. Danach könnten die Gemeinden für die Schaffung, Erweiterung und Erneuerung öffentlicher Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser öffentlichen Einrichtungen nicht nur vorübergehende Vorteile biete. Das nach dem Wortlaut der Bestimmung den Gemeinden eingeräumte Ermessen hinsichtlich der Erhebung von Straßenbeiträgen verdichte sich aufgrund des kommunalen Haushaltsrechts zu einer Pflicht der Gemeinden, mögliche Beiträge auch tatsächlich zu erheben und als Grundlage hierfür eine Straßenbeitragssatzung zu schaffen. Hiervon könne nur in Ausnahmefällen abgesehen werden, etwa wenn eine Gemeinde in der Lage sei, sich die entsprechenden Einnahmen zur Erfüllung ihrer Aufgaben aus sonstigen Einnahmen zu beschaffen. Bei einer defizitären Haushaltslage könne aber regelmäßig nicht von einem Ausnahmetatbestand ausgegangen werden; vielmehr werde gerade dann die Möglichkeit zur Beitragserhebung zur Pflicht.

Notwendigkeit einer Satzung

Aus der sich sonach aus den haushaltsrechtlichen Vorschriften der HGO 2012 ergebenden Handlungspflicht einer Gemeinde, im Falle der defizitären Haushaltslage Straßenbeiträge zu erheben, erwachse zwangsläufig das der Erfüllung dieser Pflicht vorgeschaltete Erfordernis, die rechtlichen Grundlagen für die Beitragserhebung durch Erlass einer Straßenbeitragssatzung zu schaffen; denn kommunale Abgaben dürften nur aufgrund einer Satzung erhoben werden (§ 2 KAG). Gegen diese Pflicht zum Erlass einer Straßenbeitragssatzung könne die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, es seien im Stadtgebiet straßenbeitragspflichtige Baumaßnahmen weder geplant noch absehbar (gewesen). Da der Klägerin die Straßenbaulast für die Gemeindestraßen obliege, erscheint es ausgeschlossen, dass in ihrem Bereich auf Dauer keine beitragsrelevanten Ausbaumaßnahmen an Straßen und deren Nebenanlagen anfallen würden, zumal unter Berücksichtigung der durchschnittlichen „Lebensdauer“ einer Straße, die rund 25 Jahre betrage. Selbst wenn zum im Streitfall maßgeblichen Zeitpunkt keine konkreten, beitragsfähigen Straßenbaumaßnahmen absehbar gewesen wären, sei die Klägerin daher verpflichtet gewesen, die Voraussetzungen für eine Beitragserhebung zu schaffen und eine entsprechende Satzungsregelung vorzuhalten.

Kommunalaufsichtliche Anweisung

Dieser Verpflichtung sei die Gemeinde nicht nachgekommen. Zwar habe sie 2011 eine Straßenbeitragssatzung beschlossen und bekanntgemacht. Diese Satzung habe jedoch nicht den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes (KAG 2005) in Verbindung mit den haushaltswirtschaftlichen Pflichten der Klägerin genügt. Ihre Regelungen hätten zu einem nicht vertretbaren Einnahmenverzicht geführt. Insofern habe die Kommunalaufsicht die Gemeinde zum Erlass der Satzung anweisen können. Bei Nichterfüllung der Anweisung könne die Kommunalaufsicht im Wege der Ersatzvornahme nach § 140 HGO selbst eine Straßenbeitragssatzung erlassen.

Link: http://www.pwclegal.de/dienstleistungen/oeffentliches-wirtschaftsrecht/wasser-abfall-und-abwasserwirtschaft/

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