Keine Pflicht zur Überlassung von Abfällen zur Verwertung bei Austritt aus einem Entsorgungsverband

OVG des Saarlandes:

Nach dem Austritt einer Gemeinde aus einem Entsorgungsverband, besteht für diese keine Pflicht zur Überlassung des in ihrem Hoheitsgebiet anfallenden und zur Verwertung geeigneten Restabfalls an den Entsorgungsverband.

Vielmehr kann die Gemeinde diese Aufgabe nach ihrem Austritt als örtliche Aufgabe eigenständig wahrnehmen. Dies hat das OVG des Saarlandes mit – einem im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen – Beschluss vom 27.07.2016 (Az.: 2 B 182/16) entschieden.


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Folgen des Austritts aus einem Entsorgungsverband

Die Antragstellerin, eine Gemeinde, trat zum 1. Januar 2013 aus dem Entsorgungsverband Saar (EVS) aus und nimmt seitdem die örtliche Abfallentsorgung in ihrem Gemeindegebiet selbst wahr. Der EVS wurde auf Grundlage des Gesetzes über den Entsorgungsverband Saar (EVSG) vom 26. November 1997 errichtet. Das EVSG bestimmt in seinem hier maßgeblichen Inhalt u.a.:

  • „§ 3 Erledigung örtlicher Aufgaben
  • (1) Gemeinden können als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger […] ganz oder teilweise Aufgaben der örtlichen Abfallentsorgung als eigene öffentliche Aufgabe anstelle des EVS wahrnehmen, wenn sie für diese Aufgabenbereiche aus dem EVS ausscheiden. […]
  • (4) Die von den Gemeinden nach Absatz 1 eingesammelten Abfälle sind dem EVS zu überlassen (Anschluss- und Benutzungszwang). Dies gilt nicht für Abfälle zur Verwertung, wenn die jeweilige Gemeinde nach Absatz 1 insoweit aus dem EVS ausgeschieden ist.“

Im Herbst 2015 schrieb die Antragstellerin die Sammlung, Beförderung, den Transport und die teilweise Verwertung kommunaler Abfälle ab Juli 2016 in vier Losen aus. Eines dieser Lose (Los 2) sah vor, dass Restabfälle aus der kommunalen Sammlung im Gemeindegebiet der Antragstellerin in einen verwertbaren und einen zu beseitigenden Teil zu trennen sind.

Gegen diese Ausschreibung wandte sich der Antragsgegner mit einer kommunalaufsichtlichen Beanstandungsverfügung und verlangte von der Gemeinde – unter Anordnung der sofortigen Vollziehung – die Ausschreibung bezüglich des Loses 2 aufzuheben. Zur Begründung trägt der Antragsgegner u.a. vor, § 3 Abs. 4 Satz 1 EVSG lege fest, dass die von den ausgetretenen Gemeinden eingesammelten Abfälle für die dem EVS nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 EVSG Aufgaben

obliegen, diesem zu überlassen seien. Dies bedeute nach Auffassung des Antragsgegners, dass alle im Rahmen der Regelabfuhr erfassten Restabfälle aus Haushaltungen unabhängig von deren Energiegehalt dem Entsorgungsverband zu überlassen seien. Dieser Befund entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, welcher in erster Linie Planungssicherheit für den EVS habe sicherstellen wollen.

Gegen diese Verfügung wandte sich die Gemeinde mit einem Widerspruch und beantragte vor dem Verwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs widerherzustellen. Das Verwaltungsgericht des Saarlandes wies diesen jedoch als unbegründet zurück, da sich die kommunalaufsichtliche Beanstandungsverfügung nach summarischer Prüfung als rechtmäßig erweise. Denn auch wenn der Wortsinn der Bestimmungen des EVSG nicht eindeutig sei, ergebe sich jedenfalls aus dem Sinn und Zweck sowie der Systematik der Regelungen des EVSG sowie den Begriffsbestimmungen in § 3 Abs. 22 und 15 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), dass dem EVS die gesamte Abfallentsorgung hinsichtlich des Restabfalls als überörtliche Aufgabe zugewiesen sei.

Gegen die ablehnende Entscheidung des VG des Saarlandes legte die Antragstellerin Beschwerde ein. Der Beschwerde gab das OVG statt. Eine Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus.

Abgrenzung zwischen örtlichen und überörtlichen Aufgaben der Abfallentsorgung

Einleitend geht das OVG des Saarlandes in seinem Beschluss vom 27.07.2016 zunächst auf die grundsätzliche Abgrenzung zwischen örtlichen und überörtlichen Aufgaben nach dem EVSG ein. Das OVG stellt insoweit fest, dass das in § 2 EVSG zum Ausdruck kommende Regel-Ausnahme-Prinzip – alle dort nicht abschließenden aufgezählten überörtlichen Aufgaben der Abfallentsorgung sind örtliche Aufgaben – es gebiete, dass die Tätigkeitsfelder, die abweichend von dem als Regel vorgegebenen örtlichen Charakter der Abfallentsorgung in die überörtliche Zuständigkeit des EVs fallen sollen, mit der zur Aufgabenabgrenzung notwendigen Eindeutigkeit zu umschreiben seien.

Abgrenzung zwischen Abfällen zur Verwertung und Beseitigung

Im Anschluss geht das OVG dann auf die Abgrenzung zwischen der „Verwertung“ und der „Beseitigung“ von Abfällen ein. Diese grundsätzliche, in § 3 Abs. 1 Satz 2 KrWG festgeschriebene Differenzierung, liege – so das OVG Saarlouis – auch § 3 Abs. 4 EVSG zugrunde, dessen Satz 2 festlege, dass die aus dem EVS ausgeschiedenen Gemeinden hinsichtlich sonstiger Abfälle zur Verwertung keine Überlassungspflicht gegenüber dem EVS treffe. Hinsichtlich Abfällen zur Beseitigung – so das OVG weiter – bestehe unstreitig eine Zuweisung in den alleinigen Zuständigkeitsbereich des EVS. In Bezug auf Abfälle zur Verwertung fehle eine vergleichbare Regelung jedoch gerade. Dies habe zur Konsequenz, dass nach den bestehenden Regelungen des EVSG eine aus dem EVS ausgeschiedene Gemeinde, die ihre Restabfälle selbst sortieren – und soweit möglich – einer Verwertung zuführen will, keine Verpflichtung trifft, dem EVS den verwertbaren Teil des in ihrem örtlichen Gebiet eingesammelten Restabfalls zu überlassen.

Keine Überlassungspflicht der Gemeinde hinsichtlich des zur Verwertung geeigneten Teils des Restabfalls

Im Unterschied zur Vorinstanz ist das OVG des Saarlandes also der Auffassung, dass sich aus dem EVSG gerade keine Pflicht einer Gemeinde zur Überlassung an den EVS hinsichtlich des zur Verwertung geeigneten Restabfalls ergibt. Aus dem Wortlaut – so das OVG – ergäben sich keinerlei Anhaltspunkte für eine gegenteilige Auslegung. Zu den überörtlichen Aufgaben des EVS gehöre u.a. der Betrieb der zur Entsorgung für das Saarland notwendigen Deponien und Anlagen, in denen Abfälle zum Zweck der Beseitigung auf Deponien behandelt werden können. Von Abfällen, die verwertet können, sei nicht die Rede. Auch die Annahme des VG, das Verwertungsrecht einer ausgetretenen Gemeinde nach § 3 Abs. 4 Satz 2 EVSG betreffe lediglich „sonstige“ Abfälle, teilt das OVG in der Sache nicht. Eine solche Annahme finde keine gesetzliche Stütze. Auch der Sinn und Zweck der Bestimmungen des EVSG spricht nach Meinung des OVG gegen eine Überlassungspflicht der Gemeinde gegenüber dem EVS. Im Rahmen der Novellierung des EVSG sei ein maßgeblicher Eckpunkt nämlich gewesen, den Kommunen die Möglichkeit einzuräumen, örtliche Aufgaben im Abfallbereich als eigene Aufgabe wahrzunehmen, also eine Kommunalisierung vorzunehmen. Lediglich überörtliche Aufgaben – so das OVG weiter – wie der Bau und Betrieb zentraler Abfallentsorgungsanlagen sollten hiernach auf Verbandsebene verbleiben. Die Überlassungspflicht einer aus dem Entsorgungsverband ausgetretenen Gemeinde, beziehe sich ausdrücklich (nur) auf die von den ausgeschiedenen Gemeinden eingesammelten Abfälle, die in Anlagen gelagert, behandelt oder beseitigt werden.

Fazit

Die Entscheidung des OVG Saarlouis vermag hinsichtlich der Anforderungen an (die Bestimmtheit von) Regelungen zur Aufgabenübertragung zu überzeugen. Sie verdeutlicht, dass der Landesgesetzgeber bei der Festlegung von Aufgabenzuweisungen eindeutige Regelungen treffen muss, will er überörtliche Aufgaben einem bestimmten Träger zuweisen. Für eine Bündelung der Zuständigkeiten bei einem gemeinsamen Träger oder für die Begründung von interkommunalen Kooperationen sprechen dabei gute Gründe. Insbesondere eine effiziente und auch umweltschonende Abfallentsorgung wird nicht durch jede einzelne Gemeinde alleine sichergestellt werden können.

Gaßner, Groth, Siederer & Coll