Fehlerhafte „Jahressockelgebühr“ und Fälligkeitsregelung

OVG Schleswig-Holstein

Das Gericht hat die Erhebung einer zur Abdeckung von 30 % der Gesamtkosten erhobenen Behältergebühr/Sockelgebühr neben einer Jahresbehältergebühr einerseits sowie eine Fälligkeitsregelung für eine Jahresgebühr in zwei Teilbeträgen vom 15.03. und 15.09. eines jeden Jahres andererseits für unwirksam gehalten. Zu entscheiden war in einem Normenkontrollverfahren im Sinne von § 47 VwGO über die streitige Gebührensatzung (OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.09.2015, Az.: 4 KN 1/14).


Voller Zugriff auf den Tagesanzeiger – Registrieren Sie sich jetzt kostenlos!

Um den vollständigen Artikel im Tagesanzeiger zu lesen, melden Sie sich bitte in Ihrem Themennetzwerke®-Konto an. Die Registrierung bei Themennetzwerke® ist kostenlos und ermöglicht Ihnen den vollständigen Zugang zum Tagesanzeiger und vielem mehr.

Falls Sie den Tagesanzeiger bereits auf kommunalwirtschaft.eu abonniert hatten und davor keinen Themennetzwerke® Account registriert hatten, dann klicken Sie auf den folgenden Link, um Ihr Passwort zu Ihrer bereits registrierten E-Mail-Adresse hinzuzufügen: Passwort für kommunalwirtschaft.eu Abonnenten hinzufügen

Jetzt einloggen Kostenlos registrieren

Auch wenn das Gericht die streitigen Sockelgebühren nicht konkret als Mindestgebühren eingestuft hat, hält es doch die Erhebung einer Mindestgebühr im Land Schleswig-Holstein für unzulässig. Anders als bei einer Mindestgebühr handelte es sich hier um eine (pauschale) Teil-Behältergebühr, gestaffelt nach dem Behältervolumen. In Abgrenzung dazu wird die Mindestgebühr als eine Gebühr verstanden, die sich an einem Mindestmaß der Inanspruchnahme orientiert und damit dem Abgabengläubiger die Feststellung der Verbrauchs- oder Leistungsmenge erspart. Für die Unzulässigkeit der Erhebung einer Mindestgebühr hat sich das Gericht auf § 6 Abs. 4 Satz 1 KAG Schleswig-Holstein (SH) bezogen: Danach können Benutzungsgebühren als Grund- und Zusatzgebühren erhoben werden. Mindestgebühren sind nicht ausdrücklich genannt. Das Gericht erachtet den Wortlaut des Gesetzes als abschließend. Weil Mindestgebühren nicht ausdrücklich genannt werden, sollen sie auch nicht erhoben werden dürfen.

Ein Bedürfnis für die Erhebung von Mindestgebühren kann das Gericht im Bereich der Abfallentsorgung ebenso wenig erkennen. Begründet wird dies damit, die Bemessung der Gebühr nach dem geringsten Behältervolumen im Zusammenhang mit dem längsten Abfuhrrhythmus wirke sich bereits wie eine Mindestgebühr aus. Dabei wird aber übersehen, dass mittlerweile aller Voraussicht nach auch in Schleswig-Holstein nicht nur feste Leerungsrhythmen vorgegeben werden. Vielmehr setzen die Aufgabenträger auch Systeme ein, bei denen Gebühren nur noch die tatsächlich in Anspruch genommenen Behälterleerungen zu bezahlen sind. In der Regel wird hierfür ein Behälter-

identsystem eingesetzt oder es werden Müllmarken oder –banderolen ausgegeben, mit denen zu leerenden Behälter gekennzeichnet werden müssen. Von daher greift die Argumentation des OVG SH hier etwas kurz.

Ergänzend bezieht sich das Gericht für die Unzulässigkeit von Mindestgebühren auf § 5 Abs. 2 Nr. 2 Landesabfallwirtschaftsgesetz Schleswig-Holstein: Danach können im Rahmen des Äquivalenz- und Kostendeckungsprinzips entsprechend den Abfallmengen gestaffelte Gebühren erhoben werden. Eine entsprechende Staffelung konnte das Gericht bei den beanstandeten „Sockeljahresgebühren“ aber nicht erkennen.

Unabhängig von der Charakterisierung der Jahressockelgebühr als Mindestgebühr oder eine sonstige Pauschalgebühr kritisiert das Gericht vor allem deren Bemessung. Sie soll sich nach Einschätzung des Gerichts nicht mit dem Landesrecht und vor allem nicht mit dem Landeskommunalabgabenrecht vereinbaren lassen. Insbesondere wird beanstandet, dass sich die zur Bemessung der Gebühr angesetzte, degressive Steigerung der Gebühr nicht belegen ließ: Im Verfahren hatte sich die Kommune darauf bezogen, dass der spezifische Aufwand, z.B. die in etwa gleich hohen Abfallkosten unabhängig von der Behältergröße pro entsorgtem Liter abnehmen. Für die degressive Steigerung bezog sie sich auf anerkannte Literatur und Branchenwerte. Zudem entspreche der Aufwand für die Anschaffung der Behälter und die Leerung in etwa der Staffelung. Das Gericht beanstandete, dass ein etwa gleich hoher Aufwand beim Entsorgungsträger eine Gebührendifferenzierung aus Kostengründen nicht rechtfertigen könne. Die Anschaffungskosten für Behälter hielt das Gericht insoweit für vernachlässigbar.

Von den pauschal über die „Jahresmindestgebühr“ zu deckenden Kosten von 30 % des gesamten Entsorgungsaufwandes entfiel kalkulatorisch ein Anteil von 66,5 % auf die 80 l-Gefäße, während die Behälterkapazitäten bei 53,41 % der Gesamtkapazität lag. Auch dies wurde vom OVG SH als unzulässige Mehrbelastung der Benutzer kleiner Behältergrößen beanstandet. Die mit der degressiven Steigerung einhergehenden Mehrbelastung ließ sich nach Einschätzung des Gerichts auch nicht mit dem Füllgrad rechtfertigen: Nach einer vom Aufgabenträger veranlassten Studie liege der Füllgrad bei dem größeren Behälter höher. Das Gericht gestand zwar zu, dass sich dies für die Schütt- und Raumdichte anders darstellen könne. Diese Kenngrößen seien jedoch weder untersucht noch für die Kalkulation herangezogen worden.

Die unterschiedslose Erhebung einer Mindestgebühr bei den Nutzern von 80 l-Behältern wurde vom Gericht ebenfalls beanstandet. Insbesondere sei nicht danach differenziert worden, welcher Abfuhrrhythmus gewählt wird und wie viele Personen auf dem Grundstück wohnen. Zudem sieht die Satzung offenbar keine Ermäßigung der Mindestgebühr für Ein-Personen-Grundstücke vor.

In der Satzung machte das Gericht auch eine fehlerhafte Fälligkeitsregelung aus: So sei die Jahresbehältergebühr ausdrücklich als Jahresgebühr ausgestaltet worden. Daraus folge – dem Wesen der Jahresgebühr entsprechend – zugleich deren Fälligkeit zum 31.12. eines Jahres. In der Satzung waren jedoch Fälligkeiten zum 15.03. und 15.09. eines jeden Jahres vorgegeben worden. Eine derartige „antizipierte“ Gebührenerhebung lehnt das Gericht für das Land Schleswig-Holstein ab. Auch hierfür kann es keine gesetzliche Ermächtigung erkennen. Ausdrücklich sei eine antizipierte Gebührenerhebung im Land Schleswig-Holstein nicht gesetzlich vorgesehen.

Der Antragsteller im Normenkontrollverfahren hatte neben den Regelungen zur Gebührenerhebung auch kritisiert, dass ein Pflichtrestmüllbehälter für die anderen Herkunftsbereiche nach dem Wortlaut der Satzung nur „grundsätzlich“ bereitstehen müsse. Dagegen soll die Pflicht zur Nutzung eines Mindestbehälters für die anderen Herkunftsbereiche entfallen, wenn sie eine dauerhafte, ordnungsgemäße und schadlose Verwertung aller anfallenden Abfälle nachweisen können. Insoweit konnte das Gericht schon gar kein subjektives Recht des (privaten) Gebührenschuldners erkennen, diese Regelungen zu rügen. Die aus einem geringeren Anschlussgrad der anderen Herkunftsbereiche folgende Mehrbelastung der Haushalte sah es nur als einen mittelbaren Nachteil. Im Übrigen hielt es die Regelungen aber auch für gerechtfertigt, da sie sich nach Einschätzung des Gerichts als mit dem System der abfallrechtlichen Überlassungspflichten des § 17 KrWG vereinbar erweisen.

Gaßner, Groth, Siederer & Coll