Überlassungspflichten [GGSC]
Berlin - 28.01.2015Altpapierurteil bestätigt
Bundesverfassungsgericht bestätigt „Altpapierurteil“ des Bundesverwaltungsgerichts
Nachdem das Bundesverwaltungsgericht mit seinem „Altpapierurteil“ im Jahr 2009 zunächst Rechtsklarheit im Hinblick auf die umstrittene Frage zur Zulässigkeit gewerblicher Sammlungen geschaffen hatte, gab es in der Folgezeit immer wieder Stimmen in der Literatur und auch in der Rechtsprechung, die diese höchstrichterliche Entscheidung in Zweifel gezogen haben.
Insbesondere mit Blick auf das europäische Gemeinschaftsrecht - insbesondere die wettbewerbsrechtliche Vorschrift des Art. 106 Abs. 2 AEUV (Art. 86 Abs. 2 EG) - war die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer wieder Gegenstand kritischer Auseinandersetzung.
Privater Entsorger unterliegt auf ganzer Linie
Der bereits vor den Fachgerichten unterlegene private Entsorger hatte sich mit seiner erhobenen Verfassungsbeschwerde nicht nur gegen das „Altpapierurteil“, sondern auch gegen die Beschlüsse gewandt, mit denen die erfolglose Anhörungsrüge und seine spätere Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen worden waren. Das Bundesverfassungsgericht hat mit entsprechendem Nichtannahmebeschluss vom 28.08.2014 (Az.: 2 BvR 2639/09) die von dem unterlegenen privaten Entsorger erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen und den geltend gemachten verfassungs- und europarechtlichen Einwänden gegen die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts eine deutliche Absage erteilt.
Keine Vorlagepflicht an den EuGH
Das Bundesverfassungsgericht stellt in seinen Entscheidungsgründen klar, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht gezwungen war, die im „Altpapierurteil“ entschiedenen Rechtsfragen dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung und Auslegung vorzulegen. Ein Verstoß gegen das grundrechtlich geschützte Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG scheide daher aus.
Schließlich betont das Bundesverfassungsgericht, dass die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung von § 13 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG 1994 sowohl europarechtlich als auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.
Kein Verstoß gegen Europarecht
So bestätigt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene europarechtliche Auslegung des § 13 KrW-/AbfG 1994 und die diesbezüglich getroffene Wertung, wonach die in § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG 1994 begründeten Überlassungspflichten ihre Rechtfertigung in der primärrechtlichen Ausnahmebestimmung des Art. 106 Abs. 2 AEUV (Art. 86 Abs. 2 EG) finden. Zutreffend habe das Bundesverwaltungsgericht darauf abgestellt, dass eine wirtschaftliche Aufgabenerfüllung bei freiem Zugang Privater zum Altpapiersammeln nicht gewährleistet werden könne, und die kontinuierliche und verlässliche Aufgabenerfüllung der Hausmüllentsorgung durch den öffentlichen Entsorgungsträger ein Mindestmaß an Planbarkeit voraussetze, was bei einem ungehinderten Zugriff privater Dritter gerade nicht gewährleistet sei. Schließlich sei es auch nicht entscheidend, ob das Bundesverwaltungsgericht den Begriff der gewerblichen Sammlung in § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG 1994 möglicherweise zu eng ausgelegt hat, wie es der Gesetzgeber des neuen KrWG annimmt. Denn auch einer gewerblichen Sammlung könne nach § 13 Abs. 3 KrW-/AbfG 1994 im Sinne von Art. 106 Abs. 2 AEUV (Art. 86 Abs. 2 EG) der Einwand der wirtschaftlich unzumutbaren Aufgabenerfüllung entgegengehalten werden.
Kein Verstoß gegen Grundrechte
Des Weiteren stellt das Bundesverfassungsgericht klar, dass auch die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung der Überlassungspflicht (§ 13 Abs. 1 KrW-/ AbfG 1994) sowie des Begriffs der gewerblichen Sammlung (§ 13 Abs. 3 KrW-/AbfG 1994) verfassungsrechtlich im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden seien. Denn der partielle Ausschluss privater Entsorgungsunternehmen aus der Verwertung von Hausmüllbestandteilen sei nur als ein Ausschnitt aus dem Tätigkeitsfeld der Abfallsammlung und -entsorgung zu qualifizieren, der durch vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls – Sicherstellung der jederzeitigen Abfallbeseitigung - gerechtfertigt sei.
Fazit
Mit der nunmehr vorliegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürften sich auch die letzten verbleibenden Kritiken an dem „Altpapierurteil“ des Bundesverwaltungsgerichts erledigt haben.
Die – für einen Nichtannahmebeschluss auch ungewöhnlich ausführlichen und - vertieften europarechtlichen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts können schließlich auch und erst recht als Bestätigung der Europarechtskonformität der im neuen KrWG in §§ 17, 18 ausgestalteten Überlassungspflicht herangezogen werden.
Gaßner, Groth, Siederer & Coll.