Vergaberecht [GGSC]
Berlin - 21.08.2023

Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einen Bieter zu jedem Zeitpunkt vom Vergabeverfahren ausschließen, wenn dieser eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies eine vorzeitige Vertragsbeendigung, Schadensersatz oder ein vergleichbares Szenario zur Folge hatte. Welche Anforderungen konkret an den Nachweis zu stellen sind, ist Gegenstand einer aktuellen Entscheidung der VK Sachsen.

Darlegungs- und Beweismaßstab

Beruft sich der öffentliche Auftraggeber auf frühere Schlechtleistung(en) eines Unternehmens, muss er im Streitfall den Nachweis führen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlussgrundes nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB (bzw. des wortgleichen § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A) vorliegen. Welche Anforderungen dies konkret sind, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. So fordert das OLG Düsseldorf, dass der Auftraggeber von der Schlechterfüllung Gewissheit erlangt hat, also zu einer Überzeugung gekommen ist, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet (Beschl. v. 11.07.2018 – VII Verg 7/18).

Die VK Sachsen hat sich in ihrer aktuellen Entscheidung vom 04.08.2022 (1/SVK/013-22) nunmehr der weniger strengen Rechtsprechung des OLG Celle angeschlossen. Danach ist es ausreichend, wenn der öffentliche Auftraggeber Indiztatsachen vorbringt, die von einigem Gewicht sind, auf

gesicherten Erkenntnissen aus seriösen Quellen basieren und die Entscheidung des Auftraggebers zum Ausschluss des Bieters nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 09.01.2017 – 13 Verg 9/16).

Nach den Ausführungen der VK Sachsen muss eine hohe, jedenfalls aber überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass es tatsächlich zu einer entsprechenden Pflichtverletzung gekommen ist und der Auftraggeber ein Recht zur vorzeitigen Vertragsbeendigung oder einen Anspruch auf Schadensersatz oder vergleichbare Sanktion aufgrund der Pflichtverletzung hat.

Kein Ausschluss ohne Anhörung

Unabhängig vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen kommt ein Ausschluss eines Bieters nur unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Betracht. Nach Auffassung der VK Sachsen ist der Auftraggeber zudem verpflichtet, das betreffende Unternehmen anzuhören, damit dieses die Möglichkeit erhält, die Vorwürfe zu widerlegen oder mögliche Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB darzulegen.

Hohe Anforderungen an Dokumentation

Ferner sind bei Ausschluss wegen Schlechtleistungen strenge Anforderungen an die Dokumentationspflichten zu stellen. Aus dem Vergabevermerk müssen die konkreten Umstände erkennbar werden, die geeignet sind, die Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlussgrundes zu erfüllen. Öffentliche Auftraggeber sind daher gehalten, genau zu dokumentieren und zu belegen, welche Pflichtverletzungen dem Unternehmen in welchem Umfang angelastet werden und welche Maßnahmen ergriffen wurden.

[GGSC] verfügt über umfassende Erfahrung in der Begleitung und Dokumentation von Vergabeverfahren. Es gilt der Grundsatz: je genauer die Vergabestelle Entscheidungen in einem laufenden Verfahren begründet, umso geringer sind die Beanstandungsrisiken in Nachprüfungsverfahren.

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Gaßner, Groth, Siederer & Coll. [GGSC]