VOB/A: Kein Vertrag bei Ablehnung eines modifizierten Zuschlagsschreibens  

Ändert der öffentliche Auftraggeber im Zuschlagsschreiben plötzlich die bisherige Bauzeit, kommt ein Vertrag zu den neuen Konditionen nur zustande, wenn sich der Auftragnehmer auch tatsächlich darauf eingelassen hat. Bleibt das unklar, können später gravierende Schwierigkeiten entstehen, weil unter Umständen gar kein wirksamer Vertrag geschlossen wurde.


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Der Fall

In einem öffentlichen Vergabeverfahren hatte eine Landesstraßenbaubehörde Bauleistungen ausgeschrieben. In den Vergabeunterlagen fanden sich sowohl Festlegungen zum voraussichtlichen Ausführungsbeginn als auch zum Fertigstellungstermin. Durch eine Verzögerung im Vergabeverfahrens hatte sich auch der Ausführungsbeginn um etwa zwei Monate verzögert. Daher passte die Vergabestelle die Ausführungsfristen in dem Zuschlagsschreiben an.

Auf das Zuschlagsschreiben hin antwortete der Bestbietende dann, dass er den Auftrag nur annehme, wenn auch die Vergütung entsprechend der Bauzeitänderung angepasst werde. Daraufhin hob die Vergabestelle das Verfahren auf. Die Leistungen wurden erneut ausgeschrieben, jetzt mit Reduzierungen beim Leistungsumfang und geänderten Terminvorgaben. Den Zuschlag erhielt nun ein anderer Bieter. Hiergegen wehrte sich der Bieter, der im ersten Durchgang Erstplatzierter gewesen war, gerichtlich.

Modifizierte Zuschlagserteilung

Das Oberlandesgericht Naumburg und der BGH (Urteil vom 03.07.2020, VII ZR 144/19) weisen die Klage im Wesentlichen ab. Denn es ist durch das Zuschlagsschreiben gar kein Vertrag zustande gekommen. Dies begründet der BGH damit, dass sich das Zuschlagsschreiben durch Abweichung der Bauzeiten in ein „modifiziertes Zuschlagsschreiben“ gewandelt habe. Dieses sei rechtlich aber als neues Angebot nach § 150 Abs. 2 BGB zu werten. Will der Bieter nun, dass der Vertrag auch tatsächlich wirksam zustande kommt, muss er das neue Angebot annehmen. Akzeptiert er – wie auch in diesem Fall – das neue Angebot nicht, kommt zwischen den Parteien kein Vertrag durch Zuschlag zustande. Gleiches gilt, wenn der Bieter gar nicht reagiert, denn Schweigen ist keine Willenserklärung.

Praxisrelevanz

Die Frage, wie mit der durch die Zuschlagsverzögerung faktischen Änderung der Bauzeit umzugehen ist, schafft immer wieder Praxisprobleme. Vergabestellen tragen grundsätzlich das Verzögerungsrisiko: Wenn sie dann einen Vertrag mit neuen Fristen schließen wollen, müssen sie bauvertragsrechtlich auch die Mehrkosten tragen. Unabhängig davon ist die Beurteilung der vergaberechtlichen Zulässigkeit einer solchen Vertragsanpassung.

Wichtig: Klare Vertragsregeln bei Bauzeitenverzögerungen

Sowohl die Vergabestelle, als auch die Bieter haben ein Interesse daran, zu klaren und eindeutigen Vereinbarungen zu kommen. Bevor mit den Arbeiten begonnen wird, sollte deshalb klipp und klar festgelegt sein, wie mit den terminlichen und finanziellen Folgen einer Zuschlagsverzögerung umgegangen werden soll – den „schwarzen Peter“ haben dabei eher die Vergabestellen. Im Extremfall – wie hier – müssen sie die Ausschreibung aufheben und noch einmal neu starten, was zu weiteren Verzögerungen führt.

Gaßner, Groth, Siederer & Coll. [GGSC]