Antrag auf Akteneinsicht in Betriebsgeheimnisse im Nachprüfungsverfahren

In seiner Entscheidung vom 31.01.2017 (Az.: X ZB 10/16) hat der BGH auch Aussagen dazu getroffen, wann über einen Antrag auf Akteneinsicht zur Angemessenheitsprüfung von Preisen in einem Zwischenverfahren zu entscheiden ist

Regelmäßig stellen sich in Nachprüfungsverfahren Fragen nach der Geheimhaltungsbedürftigkeit von Daten, insbesondere solchen aus Angeboten. Die Einschätzungen darüber, ab welchem Grad von geheimhaltungsbedürftigen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen auszugehen ist, gehen dabei regelmäßig auseinander.


Voller Zugriff auf den Tagesanzeiger – Registrieren Sie sich jetzt kostenlos!

Um den vollständigen Artikel im Tagesanzeiger zu lesen, melden Sie sich bitte in Ihrem Themennetzwerke®-Konto an. Die Registrierung bei Themennetzwerke® ist kostenlos und ermöglicht Ihnen den vollständigen Zugang zum Tagesanzeiger und vielem mehr.

Falls Sie den Tagesanzeiger bereits auf kommunalwirtschaft.eu abonniert hatten und davor keinen Themennetzwerke® Account registriert hatten, dann klicken Sie auf den folgenden Link, um Ihr Passwort zu Ihrer bereits registrierten E-Mail-Adresse hinzuzufügen: Passwort für kommunalwirtschaft.eu Abonnenten hinzufügen

Jetzt einloggen Kostenlos registrieren

Auch Vergabekammer muss bei Streit um Geheimhaltung analog § 71 GWB ein Zwischenverfahren durchführen

Der BGH hat jetzt entschieden, dass notfalls auch von der Vergabekammer ein gesondertes Zwischenverfahren zur Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht bzw. die Notwendigkeit der Geheimhaltung zu führen ist.

Er wendet hierfür § 71 GWB analog an, auch wenn diese Vorschrift ausdrücklich nur auf das Beschwerdeverfahren bezogen ist. In diesem gesonderten, der Entscheidung über den eigentlichen Nachprüfungsantrag vorgelagerten Verfahren sollen grundsätzlich nur der Antragsteller und der Bieter, in dessen Unterlagen Einsicht begehrt wird, Beteiligte sein. Nach dem BGH soll es sich um ein sog. „In-Camera-Verfahren“ handeln.

Abwägung der Offenlegungs- und Geheimhaltungserfordernisse

Die Vergabekammer muss dann abwägen, ob den Offenlegungsinteressen ein Geheimhaltungsvorrang für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse entgegensteht. Zutreffend verweist der BGH darauf, dass gerade Streitigkeiten um die Angemessenheit von Preisen regelmäßig Inhalte und Strategien der Kalkulation berühren dürften. Dass diese Daten selbst häufig einer Geheimhaltung unterliegen dürften, ist naheliegend.

Entscheidung angreifbar – aber nur mit der „Hauptsache“

Die Entscheidung in diesem Verfahren soll auch beschwerdefähig sein, allerdings gem. § 165 Abs. 4 GWB nur im Zusammenhang mit einer sofortigen Beschwerde in der Hauptsache.

Die Sprengkraft der Entscheidung liegt in den Schlussfolgerungen, die der BGH aus der analogen Anwendung von § 71 GWB zieht – insbesondere für die Anforderungen an die Begründung des Beschlusses.

Vergabekammer muss geheimhaltungsbedürftige Gründe ihrer Entscheidung nicht mitteilen

Er geht davon aus, dass die Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht nur einheitlich gegenüber allen Beteiligten ergehen kann. Dann aber soll die Vergabekammer auch in die Lage versetzt sein, im Beschluss selbst aus Gründen des Geheimnisschutzes die für die Überzeugung der Kammer maßgeblichen Gründe nicht mitzuteilen. Die Entscheidung kann also auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern können. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs wird insoweit eingeschränkt.

Falls nur „Beschränkung“ der Akteneinsicht: Kein Zwischenverfahren nötig!

Soll dagegen die Akteneinsicht nur beschränkt gewährt werden, bedarf es hierfür keines gesonderten Beschlusses oder Zwischenverfahrens. In der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag sind aber dann Erwägungen zum gewährten Umfang der Akteneinsicht aufzunehmen.

Zugunsten des Akteneinsicht Begehrenden – so der BGH – sei wiederum zu berücksichtigen, dass es ihm regelmäßig erst die Kenntnis dieser Informationen ermöglicht, durch detailliertes und von der eigenen Sachkunde getragenes Vorbringen etwa zu der konkreten Preisbildung beim ungewöhnlich günstigen Angebot zum richtigen Ausgang des Nachprüfungsverfahrens und damit mittelbar auch zu einer vergaberechtskonformen Zuschlagserteilung beizutragen.

Stets – so der BGH im Beschluss vom 31.01.2017 – habe die Vergabekammer auch bei Überwiegen eines Geheimhaltungsinteresses zu prüfen, ob und inwieweit die übrigen Verfahrensbeteiligten über die von einer begehrten Akteneinsicht auszunehmenden Inhalte nicht gleichwohl ohne Preisgabe des Geheimnisses zumindest in allgemeiner oder anonymisierter Form unterrichtet werden können. Voraussichtlich werden die Vergabekammern deswegen wohl auch weiterhin nur eine beschränkte Akteneinsicht gewähren, um ein Zwischenverfahren zu vermeiden.

Gaßner, Groth, Siederer & Coll