Zur Anwendung der sog. „Irrelevanzschwelle“ bei der Untersagung gewerblicher Sammlungen

Gewerbliche Sammlungen bleiben auch nach den Grundsatzentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts im Streit

Eine aktuelle Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes wirft Fragen auf, ob die vom höchsten deutschen Verwaltungsgericht vorgegebenen Berechnungswege zur Prüfung der „Irrelevanzschwelle“ eingehalten werden.


Voller Zugriff auf den Tagesanzeiger – Registrieren Sie sich jetzt kostenlos!

Um den vollständigen Artikel im Tagesanzeiger zu lesen, melden Sie sich bitte in Ihrem Themennetzwerke®-Konto an. Die Registrierung bei Themennetzwerke® ist kostenlos und ermöglicht Ihnen den vollständigen Zugang zum Tagesanzeiger und vielem mehr.

Falls Sie den Tagesanzeiger bereits auf kommunalwirtschaft.eu abonniert hatten und davor keinen Themennetzwerke® Account registriert hatten, dann klicken Sie auf den folgenden Link, um Ihr Passwort zu Ihrer bereits registrierten E-Mail-Adresse hinzuzufügen: Passwort für kommunalwirtschaft.eu Abonnenten hinzufügen

Jetzt einloggen Kostenlos registrieren

So ist eine gewerbliche Sammlung insbesondere zu untersagen, wenn ihr überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Dies ist u.a. der Fall, wenn die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des örE wesentlich beeinträchtigt wird (§ 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG). Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte mit Urteil vom 30.06.2016 (Az.: 7 C 4.15) die Anforderungen, wann eine solche Beeinträchtigung des örE vorliegt, anhand des Entzuges von Sammelmengen bestimmt. Eine Beeinträchtigung des örE sei typischerweise bei einem Mengenentzug von 10 bis 15 Prozent der Gesamtsammelmenge nicht zu erwarten (sog. Irrelevanzschwelle). Wenn dem örE eine höhere Sammelmenge entzogen werde, sei eine Beeinträchtigung anzunehmen, die er nicht dulden müsse. Vielmehr sei die gewerbliche Sammlung in einem solchen Fall zu untersagen.

Anwendung der Irrelevanzschwelle in der gerichtlichen Praxis

Der BayVGH hat mit Beschluss vom 30.01.2017 (Az.: 20 CS 16.1416) die vom BVerwG aufgestellte Irrelevanzschwelle angewendet. Das Gericht geht in zwei Schritten vor. Er ermittelt zunächst in einem ersten Schritt die zur Verfügung stehende Sammelmenge, von der ausgehend in einem zweiten Schritt die prognostizierte Veränderung durch den Marktzutritt weiterer Sammler sichtbar werden soll.

In einem ersten Schritt ermittelt der BayVGH den Status quo, d.h. der Anteil des örE am Gesamtaufkommen der Sammlungen. Dieser Anteil werde durch bereits rechtmäßig durchgeführte Sammlungen mitgeprägt, wobei insbesondere die gemeinnützigen Sammlungen einzubeziehen seien. Nach Auffassung des Gerichts schmälere der Anteil der gemeinnützigen Sammlungen den Anteil des örE. Es rechnet also die Sammelmengen des örE mit denen der durchgeführten gemeinnützigen Sammlungen zusammen und geht bei der weiteren Berechnung der Veränderungen von der so gebildeten Summe aus.

In einem zweiten Schritt nimmt der BayVGH eine Prognose der anstehenden Veränderungen durch die streitgegenständliche gewerbliche Sammlung im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen vor. Dabei errechnet das Gericht die Veränderung als Summe der streitgegenständlichen Sammlung und der weiteren angezeigten und nicht rechtskräftig untersagten gewerblichen. Ergibt sich aus dieser Summe eine Steigerung auf der Seite der privaten Sammlungen, bilde diese Steigerung und der der damit verbundene prognostizierte Rückgang der Sammelmenge des örE den maßgeblichen Prozentwert für die Irrelevanzschwelle.

Kritik an dem Berechnungsweg

Die Entscheidung des BayVGH zeigt, dass die konkrete Anwendung der Irrelevanzschwelle Raum für Interpretation belässt, die zu sehr unterschiedlichen Berechnungswegen führen kann. Das BVerwG führte in seiner Entscheidung lediglich aus, dass es dem anzeigenden gewerblichen Sammler zugutekomme, wenn eine bislang durchgeführte Sammlung eingestellt werde. Ob daraus aber auch folgt, dass gemeinnützige Sammlungen faktisch den kommunalen Anteil schmälern, ist durchaus fraglich. Vor allem aber erscheint fraglich, ob tatsächlich nur die relative Veränderung des Anteils maßgeblich ist, oder aber der absolute Anteil der Sammlungen an der Gesamtmenge.

Indem der BayVGH die gemeinnützigen Sammlungen der kommunalen Sammlung hinzurechnet, schmälert er denklogisch jeden Anteil gewerblicher Sammlungen (dort z.B. 39 Mg von 884 Mg = 4,4 %, anstelle von 39 Mg von 660 Mg = 5,9 %). Darüber hinaus lässt der BayVGH den ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift unberücksichtigt, der gerade auf ein „Zusammenwirken mit anderen Sammlungen“ abstellt. Dies schließt folglich auch gemeinnützige Sammlungen ein. Hätte das Gericht auch die gemeinnützigen Sammlungen auf der „Nenner-Seite“ seiner Berechnung eingestellt, läge der Anteil bei 26 % - und damit deutlich über der sog. Irrelevanzschwelle.

Dass gleichwohl Einiges dafür spricht, dass diese von [GGSC] vertretene Auffassung zutreffend ist, ergibt sich aus der Begründung der BVerwG-Entscheidung vom 30.06.2016, die ausdrücklich auf die „prozentualen Anteile“ und die vorgehende obergerichtliche Rechtsprechung (z.B. des VGH Baden-Württemberg, vgl. Urteil Rn. 59) verweist, die ebenfalls den absoluten Anteil (und nicht die relative Veränderung des Anteils) zur Grundlage ihrer Berechnungen gemacht hatte.

Gaßner, Groth, Siederer & Coll