OLG Celle zu Dienstleistungskonzessionen im Unterschwellenbereich

„Übersteigt der Auftragswert nicht die sog. Schwellenwerte, so droht keine Gefahr“

Dass dieser weit verbreitete „Merksatz“ für Auftraggeber einen schwerwiegenden Irrtum beinhalten kann, verdeutlicht eine aktuelle Entscheidung des OLG Celle. Das Gericht hatte darüber zu befinden, ob der öffentlichen Auftraggeberin die Zuschlagserteilung auf eine Dienstleistungskonzession zur Aufstellung von Altkleider-Sammelcontainern auf öffentlichen Flächen durch Erlass einer einstweiligen Verfügung zu untersagen war.


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Kein Anwendungsfall des GWB

Die Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit ergab sich daraus, dass der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen für den hier vorliegenden Fall einer Dienstleistungskonzession – wie auch bei einer Vergabe im Unterschwellenbereich - nicht zur Verfügung steht. Öffentliche Auftraggeber haben allerdings auch im Unterschwellenbereich und bei der Vergabe einer Dienstleistungskonzession das Primärrecht der Europäischen Union, zu dem u.a. das Gebot der Transparenz gehört, zu beachten, sofern ein grenzüberschreitendes Interesse am Auftrag besteht.

Von einem solchen grenzüberschreitenden Interesse war im vorliegenden Fall auszugehen. Dies war insofern bemerkenswert, als vom Ort der Konzessionsvergabe aus (Hildesheim bei Hannover) die nächstgelegene Grenze (Niederlande) in ca. 170 km Luftlinie (bzw. ca. 250 Straßenkilometer) Entfernung gelegen ist, so dass sich bei vordergründiger Betrachtung ein „grenzüberschreitendes Interesse“ ohne Marktkenntnisse nicht aufdrängt.

Verstoß gegen das Transparenzgebot

Eigentlicher Streitpunkt war die Transparenz der Zuschlagskriterien. Danach sollte die Bewertung der Angebote zu 60 % anhand des Preises und zu 40 % auf der Grundlage einer Bewertung der - von den jeweiligen Bietern näher darzulegenden - „eigenen Tätigkeiten, die über das Sammeln von Altkleidern hinausgehen und eine höherwertige eigene Sortierung bzw. Verwertung“ gewährleistet, erfolgen. Das OLG erließ die begehrte einstweilige Verfügung, da die öffentliche Auftraggeberin ihre vorvertraglichen Fürsorgepflichten jedenfalls deshalb verletzt habe, weil sie Zuschlagskriterien nicht in einer dem europarechtlichen Transparenzgebot genügenden Weise ausformuliert habe (Urteil v. 23.02.2016, Az.: 13 U 148/15).

Das auch außerhalb der Vergabekoordinierungsrichtlinie anwendbare Transparenzgebot besagt, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens klar, präzise und eindeutig zu formulieren sind, so dass zum einen alle Bieter die genaue Bedeutung dieser Bedingungen und Modalitäten verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und zum anderen der Auftraggeber tatsächlich überprüfen kann, ob die Angebote der Bieter die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen. Diesen Voraussetzungen genügten die von der öffentlichen Auftraggeberin gewählten Vergabebedingungen nicht.

Die Beschreibung durch den Auftraggeber ließ nach Ansicht des Gerichts jedoch offen, welche konkreten Erwartungen der Vergabestelle hinsichtlich einer über das Sammeln von Altkleidern hinausgehenden und eine höherwertige eigene Sortierung bzw. Verwertung gewährleistenden Tätigkeit des Bieters bestünden, insbesondere welche Tätigkeiten insoweit positiv bewertet werden sollten. Bestehen jedoch bestimmte Erwartungen seitens des öffentlichen Auftraggebers, so seien diese den Bietern vollständig offen zu legen.

Neues Recht

Die Entscheidung bleibt auch nach neuem Recht aktuell. Nach dem seit 18.04.2016 geltenden Recht sind nun auch für das Vergaberecht oberhalb der Schwellenwerte ausdrückliche Regelungen zu Konzessionen im GWB gesonderte Regelungen getroffen (vgl. u.a. §§ 97 Abs. 1 Satz 1, 101, 105 GWB) sowie eine eigene „Konzessionsvergabeverordnung“ in Kraft.

Fazit

Der Fall verdeutlicht insbesondere, dass – je nach konkretem Markt – ein grenzüberschreitendes Interesse auch bei großer Entfernung des Leistungsortes von den deutschen Grenzen angenommen werden kann. Auch bei Unterschwellenvergaben müssen öffentliche Auftrag- und Konzessionsgeber in diesen Fällen darauf achten, dass die Vergabeunterlagen vor allem unter Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung, der Verhältnismäßigkeit und der Transparenz ausgearbeitet sind.

Gaßner, Groth, Siederer & Coll