Zugegeben, es war bekannt, dass der Donnerstag letzte Woche stürmisch würde.

Wie viele andere auch hatte ich schon vor Monaten Termine organisiert. Der Weg sollte mich am Donnerstag vom Niederrhein zum Erfahrungsaustausch Bioabfall nach Leipzig und dann am Freitag zu Arbeitssitzungen nach München führen.

Die RB31 pendelt zwischen Xanten und Duisburg. Normalerweise. Aktuell gibt es wegen einer Brückenbaustelle einen Schienenersatzverkehr, welche die Fahrtzeit nach Duisburg mindestens verdreifacht. Da dies bekannt war, lag die Bitte nah, jemand zu bitten mich nach Duisburg zu bringen.

Die eigentliche Frage war aber eine andere. Wird der Sturm Auswirkungen auf den Fahrbetrieb haben? Diese Frage sollte das Internet beantworten. Alles in bester Ordnung. Die Züge fahren pünktlich. Also bei mäßigem Wind und leichtem Regen auf nach Duisburg. Es gibt schönere Orte als Gleis 13 des Hauptbahnhofs Duisburg. Das Dach ist undicht. Die Tauben fliegen in Kopfhöhe links und rechts an einem vorbei. Der erste Blick auf dem Bahnsteig gehört dem Zuganzeiger. Auf dem Nachbargleis stand ein Zug, der nach seiner Selbstaussage nach Koblenz wollte. Die Anzeige sprach jedoch von einem verspäteten Zug nach Wesel. Auch mein Zug Richtung Berlin sollte auf dieses Gleis. Wer Bahn fährt, kennt Gleisverschiebungen. Das sehen wir locker und entspannt. Nur der Zug nach Koblenz machte keine Anstalten das Gleis zu räumen. Die Menschen auf dem Bahnsteig wirkten noch entspannt. Laut Bahn-Navigator hatte der Zug auch Düsseldorf und Düsseldorf Flughafen pünktlich verlassen. Die Lautsprecherdurchsagen befassten sich mit er einen oder anderen Verspätung, aber nicht mit dem ICE547. Die Strecke vom Flughafen bis Duisburg dauert rund 10 Minuten, so dass ich die Botschaft auf meiner Uhr erst gar nicht verinnerlicht habe. Die wartenden Personen auf dem Bahnsteig begannen unruhiger zu werden. Keine Durchsage, kein Servicepersonal, keine Infos im Navigator. Auf der Anzeige war der ICE jetzt verschwunden. Was tun Reisendende in solchen Situationen? Sie begeben sich auf die Suche nach Informationen. Jemand berichtete, dass die Warteschlange vor dem Servicepoint in der Halle rund 50 Meter betrage. Nun gibt es auf dem Gleis ein kleines Häuschen. Beherzt habe ich angeklopft und vorsichtig geöffnet. Dort saßen zwei Personen, eine davon in Uniform, bei einem Cappuccino Grande tiefenentspannt in ein Gespräch vertieft. Der Herr in Uniform erklärte, dass doch Sturm und Unwetter sei und dass die Bahn den Fernverkehr eingestellt habe. Er schaute mich auch ein wenig mitleidig an, wie dumm man denn nur sein könne, zu diesem Zeitpunkt Zug fahren zu wollen. Auf meinen Hinweis, dass mehrere hundert Menschen auf dem Gleis, darunter viele Kinder, einige Personen mit einem Handicap auf Infos warten würden, griff er tatkräftig zum Sprechfunk und bat seine Kollegin um eine Durchsage, dass der Fernverkehr eingestellt sei. Die kam denn auch, machte uns aber auch nicht schlauer.

Warten auf das Ende des Sturms

Meine Mitfahrgelegenheit war zum Glück noch in Duisburg. So traf ich die nächste Entscheidung, erstmal zurückzufahren und die weitere Entwicklung zu beobachten. Was war ich froh, als sich diese entspannte. Auf der Internetseite der Bahn las ich die erfreuliche Mitteilung, dass der Fernverkehr zwischen Köln und Berlin wieder laufe. Leipzig, ich komme. Ein weiteres Mal bei Sonnenschein und einer leichten Brise die 35 km nach Duisburg. Draußen auf den Autobahnbaustellen waren alle fleißig. Gleis 13. Der Zug nach Koblenz hatte das Gleis verlassen, was ich als gutes Zeichen interpretierte. Sowohl die Anzeige auf dem Gleis als auch der DB Navigator versprachen ein pünktliches Erscheinen des ICE. Die Tischreservierung für den Abend in Leipzig hatte Bestand. Dieser Traum platzte in wenigen Minuten. Auch dieser Zug hatte offenbar die Fahrt regulär angetreten und war dann in einem Bermuda-Loch zwischen Düsseldorf und Duisburg verschwunden. Einfach weg. Hat sich aufgelöst. Die Dame hinter dem Mikro in Duisburg verkündigte die entsetzliche Wahrheit, dass die Fahrt ausfällt. Nun macht es keinen Sinn in Duisburg eine bahnkundige Person zu suchen, weshalb ich Rat beim DB Navigator suchte. Dieser zeigte mehrere Alternativen an, darunter auch eine schnelle über Düsseldorf und Frankfurt. Dies las sich gut. Schließlich haben wir gelernt flexibel und gelassen auf schwierige Situationen zu reagieren. Auf einem anderen Gleis stand auch abfahrbereit ein Zug eines privaten Anbieters abfahrbereit. Kurz entschlossen eingestiegen und schon nach wenigen Minuten in Düsseldorf ausgestiegen.

We apologize for any inconvenience.

Sowohl die Durchsage über die Anschlussverbindungen als auch der Navigator zogen mich nach Gleis 10. Das Bild ähnelte dem in Duisburg. Es standen viele Menschen auf dem Bahnsteig. Auf der Tafel wechselten die Anzeigen in kurzen Abständen. Mal standen verspätete Züge ganz oben, mal meiner Richtung München. Der Blick auf die anderen Gleise hätte mich eigentlich beunruhigen müssen. Die zahlreichen Gleise waren mit ICE-Zügen gut gefüllt. Ich dachte nur, dass die gleich losfahren würden, doch es war nur Parkraum. Als Ziel dieser Züge war Düsseldorf angegeben, was in meinen Augen gar kein Ziel war; niemand war drinnen; alle Lichter dunkel. Laut Navigator war aber alles in Ordnung. Jeden Moment müsste innerhalb des Zugreihenfolgenbingos auch der Zug in den Süden einfahren. Nach einigen Minuten Verspätung hatte die unsichtbare freundliche Dame hinter dem Mikrofon eine Mitteilung für den ICE. Dieser Zug falle aus und man entschuldige sich für die entstandenen Unannehmlichkeiten.

Abbruch und Improvisation

Was tun? In der zentralen Halle im HBF Düsseldorf gab einen netten jungen Herrn, dessen Schild auf der Uniform ihn als Auszubildenden auswies. Diese Nachwuchskraft war an diesem Tag auch der einzige Lichtblick beim Bahnpersonal. Er gab sich Mühe, bat um Verständnis und war da. In der Zwischenzeit erwog ich die Möglichkeit anstelle nach Leipzig direkt zu meinem nächsten Ziel München zu fahren. Laut Navigator würden die nächsten Verbindungen zwar ausfallen, aber für Zugverbindungen zwei Stunden später gab es keine Hinweise mehr.

Auf dem Bahnhofsvorplatz war reges Treiben. Schutzmaske runter und durchatmen. Es bildeten sich Fahr- und Preisteilungsgemeinschaften. Mehrere Gruppen taten sich zusammen, um Mietwagen zu besorgen und um Routen zu koordinieren. Ich selbst rief erst mal in Leipzig an und stornierte Hotel und Restaurant. In kurzen Anrufen ließ sich alles freundlich und einfach regeln. Ich entschied mich zu einer weiteren Pause, um die weitere Entwicklung zu verfolgen und meine Optionen zu durchdenken. Leipzig war inzwischen obsolet. Da gab es keine Chance mehr. Die Alternative war zurück und nach vorne und direkt nach München. Verlockend war die Recherche beim Flughafen. Die Check-In-Zeit lag bei 5 Minuten. Drei oder vier Flüge gingen noch nach München. Um den Fußabdruck beim Klima nicht allzu gigantisch wachsen zu lassen, ist die Bahn doch zumindest theoretisch die bessere Option.

90 Minuten später war ich wieder in der Eingangshalle vom Bahnhof. Eine kurze Rückfrage einem Service-Point schaffte Zuversicht. In einer guten halben Stunde geht es los. Ankommen in München kurz nach Mitternacht. Auf der großen Anzeigetafel in der Halle war Bewegung. Viele verspätete Züge verließen den Bahnhof und auch die Tafel. Andere rückten nach und auch nach einigen Minuten der Zug nach München. Diese startet pünktlich auf Gleis 10.

Dort gab es wieder Bingo. Auf beiden Seiten des Bahnsteigs wechselten die Reihenfolgen munter. Wir wissen zwar, dass sich Geschichte wiederholt, doch diesmal war die Hoffnung groß. Der Zug nach München sollte seinen Start in Düsseldorf haben. Da meint doch der bahnfreundliche Vielfahrer, dass die Bahn Bescheid wüsste, ob ein Zug fahre oder nicht. Die Ansagekraft am Mikro wusste es jedenfalls nicht, denn erst nach einigen Minuten teilte sie im sachlichen Ton mit, dass der Zug ausfalle. Immerhin konnte sie auf einen späteren Zug in einer halben Stunde auf Gleis 4 verweisen.

Die halbe Stunde auf Gleis verbrachte ich mit dem Identifizieren der unterschiedlichen Gründe für Verspätungen. Mal war es das Unwetter (In Düsseldorf hatte am Nachmittag tatsächlich einen Schauer gegeben!), mal die Reparatur einer Signalanlage, dann Störungen im Betriebsverlauf. Auch die verspätete Bereitstellung durch irgendwas kam zur Rede. So verging die Zeit. Neu war an diesem Tag, dass auch der Zug nach München mit Verspätungen erwähnt wurde. Zunächst 5, dann 10, dann 20, dann 25 Minuten.

Nach 35 Minuten hatte der Zug dann offiziell Einfahrt. Er rollte ein und öffnete die Türen. Einen Menschenstrom suchte sich einen Sitzplatz und musste sich erst mal mit der neuen Situation zurechtfinden. Ein Sitzplatz in einem richtigen Zug. Auf der Schnellstrecke zwischen Köln und Frankfurt kann der Zug vielleicht die Verspätung reduzieren. Dies nennt man optimistische Verzerrung. Nach einigen Minuten Aufenthalt, in der alle Passagiere mit der Durchsage rechneten, dass der Zug außerplanmäßig in Düsseldorf ende und man gebeten werde, den Zug zu verlassen, ging es doch gemächlich los. Der Aufenthalt in Köln hätte für einige Zigaretten gereicht, wenn ich denn Raucher wäre. So hatte ich aber das Vergnügen zu erfahren, dass der Lokführer noch nicht da sei, dass er aber bald erscheinen werde.

Logistik und Service

Mit einen guten Stunde Verspätung ging es in Köln dann weiter. Das Zugpersonal verteilte Wasser und ein Stück Schokolade. Das musste dann aber auch bis München reichen, denn das Zugbistro blieb die ganze Fahrt geschlossen. Da sich hierfür der Zugchef hierfür ausdrücklich entschuldigte, wollen wir dies der Bahn mal nicht übelnehmen. Meine Hoffnung, dass es etwas schneller ginge, war in Frankfurt Flughafen verflogen. So ging es störungsfrei bis Stuttgart. Offenbar hatte das Personal gewechselt, denn jetzt kamen die Durchsagen mit einem angenehmen Dialekt. Die Botschaft war aber weniger angenehm. Vor Ulm sei die Strecke gesperrt. Ursache war kein Wind, sondern ein Personenschaden auf dem Gleis. Der Chef berichtete von zwei Optionen. Der Zug würde entweder die reguläre Strecke fahren oder einen Umweg nehmen. Ich konnte in den Gesichtern der anderen lesen, wie diese hochrechneten, was letzteres zeitlich bedeuten würde. Allgemeines Aufatmen, als der reguläre Streckenverlauf wieder freigegeben war.

Als der Zug gegen 3 Uhr in München einrollte, hatte sich die Verspätung auf über 2 Stunden addiert. Im Unterschied zu vielen anderen, konnte ich jetzt zu Fuß zum Hotel laufen. Die Schlange der Personen, die um drei Uhr in der Früh auf ein Taxi warteten, war bestimmt 30 Meter lang.

Wetterdienste, Planung und Disposition

Ein Gedanke noch. Von der Kommunalwirtschaft wird erwartet, dass sie Wetterdienste abonniert habe und sich frühzeitig planerisch einstellt. Vielleicht sollten wir die Bahn mal einladen, sich anzuschauen, wie andere Branchen mit dem Wetter umgehen. Wie hieß es vor Jahren in der Bahnwerbung? „Alle reden über das Wetter. Wir nicht.“

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