Bildung und Kommunikation kommen eine große Bedeutung zu. Heinrich Bottermann, Geschäftsführer der Deutschen Bundesstiftung Umwelt DBU, sorgt sich um gravierende menschengemachte Störungen. Die Resilienz, die Belastbarkeit der Systeme, sei teilweise überschritten. Gegensteuern ist wichtig. Die Tagung Umweltbildung der DBU sucht mit über 200 Teilnehmern/innen, welche Bildungsansätze Nachhaltigkeit ermöglichen. Die DBU hat seit ihrer Gründung rund 9.000 Projekte gefördert. Projekte müssen dem Eigenverständnis nach über den aktuellen Stand der Forschung und Entwicklung hinausgehen und innovative Merkmale aufweisen.

Bottermann beklagt das Auseinanderfallen von Bewusstsein und Verhalten und führt beispielhaft Fernreisen und Fastfood an. Einen Ausweg sieht er in der aktuellen Kompetenzdiskussion. Das Anknüpfen an wissenschaftliche Erkenntnisse verbessert die Selbststeuerung durch Erkenntnisgewinn. Er spricht sich für eine nachhaltige Zukunft in einer freiheitlichen Welt aus. Denn Veränderungen entstehen im Diskurs und auch nicht von heute auf morgen. Sie starten mit Projekten und lassen Strukturen entstehen. Systemische Veränderungsprozesse wie z.B. die Energiewende sind das Ergebnis gesellschaftlichen Wandels. Dabei sind manche weitere Richtungswechsel vielleicht noch gar nicht scharf genug erkennbar. Bottermann plädiert für pädagogische Konzepte, die auf Werten basieren. So kann Umweltbildung auch wesentliche Leistungen bei der Integration von Flüchtlingen leisten.

In der Diskussion um Nachhaltigkeit und Wandel sind ein Umgang mit Komplexität und die Fähigkeit des abstrakten Denkens wichtig. Globale Themen sind nur gering individuell und sinnlich wahrnehmbar. Schulische Bildung bleibt dabei Bottermann zufolge hinter den Erwartungen und Möglichkeiten zurück. In der beruflichen Bildung ist jedoch bereits viel erreicht worden. Die deutsche Bildungslandschaft wird durch die Befassung mit Nachhaltigkeit stark geprägt, was als Erfolg gewertet wird.

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen WGBU präsentiert den Gedanken planetarischer Leitplanken. Bei Leitplanken handelt es sich um quantitativ definierbare Schadensgrenzen, deren Überschreitung heute oder in Zukunft intolerable Folgen mit sich brächte, so dass auch großer Nutzen in anderen Bereichen diese Schäden nicht ausgleichen könnte. Leitplanken sollen die Wirkung von umweltbelastenden Treibern begrenzen und unterhalb einer Obergrenze halten. Die Leitplanken selbst sind dem WGBU zufolge wissenschaftlich abgesichert und als Ziele formuliert (z.B. ph-Wert der obersten Meeresschicht soll nicht mehr 0,2 Einheiten gegen vorindustriellem Wert absinken). Sie sollen Orientierung geben und nehmen Einfluss auf die Abstimmung politischer Programme.

Dabei kommt die „Große Transformation" ins Spiel. Sprachlich erinnert es an die Große Depression, nur eben umgekehrt. Ein Comic des WGBU greift diese Analogie auch optisch auf. Der Auffassung der WGBU zufolge hat ein historischer Wandel, eine „neue Geschichte", begonnen, dessen Anzeichen bereits heute erkennbar sei. Ein Indiz dafür ist dafür z.B. das Klimaabkommen von Paris. Für die Herstellung oder Absicherung der Transformation sind Bildung und Forschung zentral. Bereits in 30 Jahren ist dem optimalen Szenario zufolge der Dekarbonisierungsgrad stark ausgeprägt und die Gesellschaft klimaverträglich aufgestellt. Hoffen wir, dass Analyse und Prognose zutreffen. Diese Unsicherheit sieht auch die WGBU, indem sie zur Umsetzung der politischen Ziele des Klimaabkommens verpflichtende Maßnahmen und Überprüfungen fordert.

Das Wort „Anthropozän" birgt wie „Große Transformation" ähnlich Düsteres und Apokalyptisches. Autoren wie dem Geologen Reinhold Leinfelder geht es aber auch hier um die Drehung einer anhaltenden Entwicklung. Die Katastrophe lässt sich durch positive Modelle abwenden. Es gilt die Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen. Unten an der Aktionsbasis sieht er Initiativen und oben Akteure wie Staaten und internationale Organisationen. In der Mitte entstehen aber enorm wichtige Side-by-Side-Strukturen aus Gebietskörperschaften und der Wirtschaft. Dieser Gedanke scheint wichtig und könnte stärker herausgearbeitet werden.

Optisch wie sprachlich wirkt alles ziemlich düster. Die Wortwahl greift Sprachhülsen mit negativen Assoziationen auf und versucht diese umzudrehen und daraus Programme abzuleiten. Verhinderung steht stärker im Fokus und weniger das attraktive Bild, das wir gemeinsam erreichen möchten. Die visuellen Signale basieren teilweise auf der Bildersprache eines Hieronymus Bosch, indem zahlreiche Geister beschworen werden, und greifen frühindustrielle Bilder aus Beton, Schornsteinen, Qualm und Atemnot auf. Es dominiert die Farbe Schwarz. Andere Darstellungen driften in die Bildsprache der naiven Malerei ab. Bei all dem wird sehr deutlich, was wir verhindern und vermeiden müssen. Auch das Wort „müssen" kommt sehr viel häufiger vor, als den Rednern vermutlich selbst lieb ist. Wie man sich aber die neue Zeit bildlich vorstellen kann, bleibt verborgen und unklar. Immerhin formuliert Leinfelder durchaus die Frage, wie wir leben wollen. Interessant ist, dass sich in dem Moment die Farben ändern, wenn er über das Haus der Zukunft spricht. Jetzt dominieren Pastelltöne und Neonfarben. Sein Haus der Zukunft spannt Räume zwischen reaktiv und aktiv auf. Es gibt in diesem Haus aber keinen Wegweiser zum Zurechtfinden, sondern nur Optionen.

Es ist schon erfrischend, wie Scheidewind vom Wuppertal Institut Debatten fordert. Wie überzeugen wir die ignorante Bevölkerung? Er unterscheidet zwischen Transformation und transformativ. Transformation zielt auf Erkenntnisgewinn durch Forschung und Bildung ab. Transformativ geht weiter und beinhaltet, dass man sich selbst in Veränderungsprozesse begibt. Eine Experimentierkultur soll neue Kompetenzen, Wissensformen und Erfahrungen generieren. Begeisterung und Leidenschaft sind wichtig. Gelingt es Menschen für konkrete Transformationsprozesse zu gewinnen, können diese gemeinsam starke Kräfte entfalten. Deshalb ist bürgerschaftliches Engagement die große Hoffnung auf dem Weg der Transformation.

Ein wenig drängt sich der Verdacht des alten Weins in neuen Schläuchen auf. Bereits in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts gab es einen leidenschaftlichen Diskurs. Die einen forderten Umwelterziehung an den Schulen. Die anderen beschritten mit ökologischem Lernen den steinigen Weg des gesellschaftlichen Wandels. Worin genau die qualitativen Differenzen liegen zwischen Transformation und Erziehung sowie zwischen transformativ und Bildung bleibt verborgen. Der Autor hat die Vermutung, dass sich die Wissenschaft über Sprache die intellektuelle Steuerung sichern will.

Der heimliche Gewinner der Diskussion kommt in den Vorträgen als Begriff gar nicht vor. Er heißt Partizipation. Die didaktischen Erfolgsgeschichten weisen interessanterweise durchgängig experimentelle Bausteine auf. In diesem Sinne liegen chemische Experimente im Schullabor und Projekte in Bürgerinitiativen gar nicht weit auseinander. Mitdenken, Mitlernen, Mituntersuchen, Mitbewerten und Mitentscheiden sind unverändert die zentralen Motivatoren. Ilka Parchmann vom Kieler IPN betont zu Recht, wie wichtig es ist, die Bedeutung der Umweltthemen für die einzelne Person beim Lernen herauszuarbeiten. So sieht es auch die Bundeszentrale für politische Bildung: Handlungsoptionen aufzeigen, Austausch fördern und zu politischem Handeln ermutigen oder sogar austesten. Sie spricht sich dafür aus, es nicht bei der Option zu belassen, sondern die praktische Umsetzung zu starten. Insgesamt sieht sie das Risiko, dass Nachhaltigkeit als Thema nur Eliten und nicht bildungsfernere Adressaten erreicht. Die Themen müssen sich deshalb den konkreten Lebenswelten anpassen und Anknüpfungspunkte zum Alltag herstellen können. Dies steigere die Kredibilität.

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