© Coloures-pic - Fotolia.com © Coloures-pic - Fotolia.com

Wie hatte es dazu kommen können? Ermittler und Staatsanwälte gehen in diesen Tagen in Wolfsburg ein und aus. Sie interessieren sich dafür, wer über welche Information zu welchem Zeitpunkt verfügte. Schon jetzt steht, dass Köpfe rollen werden.

Mir geht es aber in diesem Beitrag nicht um die juristische Aufarbeitung. Denn eigentlich finde ich den Skandal gar nicht so überraschend. Wenn ein Vorstand zwar Worte wie "Umweltschutz" oder "Nachhaltigkeit" kennt, aber voller Leidenschaft Wachstum und wirtschaftlichen Erfolg predigt, richtet sich das Unternehmen auch danach. Die Wirtschaftsnachrichten befassten sich in den letzten Jahren vornehmlich mit der ökonomischen Situation. Die Prägung und die Hierarchie der Entscheidungsparameter waren eindeutig ökonomisch.

Ökologie und Ökonomie sind Zielkonflikte. Solange sich beides vereinbaren lässt, fällt dieser Konflikt nicht weiter auf. Wir waren bemüht zu glauben, dass sich die früheren Streithähne längst vertragen hätten. Wenn nun aber Ingenieure erklären, dass die ökologischen Ziele nicht innerhalb der finanziellen Budgets erreichbar sind, wird es spannend. Ich vermute, dass eine vornehmlich auf Wirtschaftlichkeit gepolte Unternehmenskultur mehr oder weniger automatisch Entscheidungen lenkte, die letztlich zum Skandal führten. Es macht einen großen Unterschied, ob ich ständig darüber nachdenke, wie ich die wirtschaftlichen Vorgaben erreiche, oder ob ich den Auftrag habe, den saubersten Motor der Welt zu entwickeln. Genau dies schien mir aber nicht der Auftrag der Ingenieure in Wolfsburg gewesen zu sein. Sie hatten es gar nicht auf ökologische Rekorde abgesehen, sondern endlich der weltgrößte Hersteller zu sein. Vermutlich waren die Ingenieure sogar stolz auf die Lösung, die sie gefunden hatten, und zeigten überhaupt kein Unrechtsbewusstsein. Die Ursachen des Skandals wurzeln tief in der Unternehmenskultur.

Wie geht es nun weiter? Meine persönliche Einschätzung ist die, dass sich der Konzern komplett neu erfinden und aufstellen muss. Natürlich ist es möglich, die umweltverträglichsten Autos der Welt zu bauen. Selbstverständlich lassen sich die ökologischen Fußabdrücke der einzelne Modelle verringern. Nur muss man dies auch wollen und zwar wirklich wollen aus vollstem Herzen. Dieses Wollen zu initiieren ist Aufgabe der Führung und der internen Kommunikation. Es bedarf eines neuen Mottos und eines neuen Leitgedankens. Der Vorstand sollte einen Leitbildprozess ins Leben rufen, der das Selbstverständnis der Manager, Ingenieure und Monteure ändert. Es geht also um Orientierung. Es sind Leitgedanken, die das Verhalten in komplexen Situationen steuern.

So etwas wie Dieselgate kann jeden Betrieb treffen, sobald Anforderungen auftreten, die der aktuellen Richtung entgegen laufen. Bei kommunalen Betrieben sind Konflikte zwischen Gebührenstabilität und ökologischen Zielen denkbar. Ideen der Abfallvermeidung haben z.B. keine sonderliche Konjunktur, obwohl Abfallvermeidung in der Abfallhierarchie auf Platz 1 steht. Vermutlich entscheiden Werksleiter und Betriebsausschüsse im Zweifel für die wirtschaftlichere und weniger ökologische Variante. Damit entscheiden sie risikominimiert; der Ärger einer Gebührenerhöhung wiegt im Kalkül schwerer als umweltverträglichere Varianten als zu teuer abzulehnen. In der Praxis zeigt sich dies z.B. an der mangelnden Beschaffung von Kommunalfahrzeugen mit Elektroantrieben. Technisch ist zwar vieles erprobt und möglich, doch die Mehrkosten schrecken ab. Hinzu kommt, dass die Betriebe dies auch gar nicht wollen. Fahrer sind mit den bisherigen Fahrzeugen zufrieden. Werkstattmonteure zögern wegen des Erfahrungsmangels. Logistiker haben Bedenken, weil die Nutzlasten sinken. Die Beschaffungsabteilung sieht sich der Sparsamkeit verpflichtet. Diese Liste ließe sich noch verlängern. Oft sind es dann Kommunalpolitiker, die Forderungen für mehr Nachhaltigkeit im Fuhrpark aufstellen. Die Eigenmotivation der Betriebe ist eher gering. Die Anlässe zur Veränderungen kommen eher von außen entweder aus dem politischen oder rechtlichen Raum und weniger aus betrieblichen Überlegungen heraus. Elektromobilität oder Abfallvermeidung oder Feinstaubgrenzwerte werden in diesem Moment ein Zwang, dem man sich zwar beugt, der aber keinen Spaß macht. Themen wie diese wirken störend auf die betriebliche Entwicklung.

Aus diesem Dilemma helfen Ziele und Visionen. VW könnte die Vision vom größten Hersteller verlassen und ein neues Bild vom saubersten Hersteller der Welt malen. Auch jeder andere private wie öffentliche Betrieb braucht ein attraktives Bild, was man in Zukunft darstellen und repräsentieren möchten. Dies ist ein schwieriger Prozess. Aber er schafft eine neue Identität und sorgt für Klarheit in komplexen, kontroversen Situationen. VW könnte ausrufen "Stets das Beste"; manche öffentlichen Betriebe könnten sich dem Ziel "Der modernste Arbeitsgeber in der Stadt" verpflichten. Und wenn man dann wirklich will, klappt es auch.

Teilen Sie diesen Beitrag