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Ärmel hoch krempeln und anpacken. Es ist keine Zeit für Grundsatzdebatten: damit die Situation weder für die zahlreichen Flüchtlinge noch für deutsche Gesellschaft eskaliert, muss etwas geschehen. Ich plädiere für ein mehrjähriges Investitionsprogramm. Vergleichbares gab es schon einmal, um mit öffentlichen Aufträgen die Folgen der Wirtschaftskrise beim Handwerk und dem Mittelstand abzumildern. Derzeit bekamen z.B. Maler Aufträge jede Menge Schulräume zu streichen.

Den aktuellen Medienberichten zufolge ist das Qualifikationsniveau der Flüchtlinge höher als befürchtet, aber niedriger als benötigt. Die Welt schreibt, dass 16% eine Hochschule besucht haben, 16% Abitur haben, 35% auf eine mittlere Schulbildung zurück blicken und 25% nur kurz oder gar nicht eine Schule besucht haben. Die meisten Syrer mit Berufspraxis arbeiteten, dem Institut der Deutschen Wirtschaft zufolge, im Handwerk oder einem verwandten Beruf. Gerade Handwerker werden hierzulande gesucht. In kommunalen Betrieben sehe ich somit durchaus Chancen für Flüchtlinge mit Abitur und mittleren Abschlüssen oder mit einem handwerklichen Hintergrund.

Als besonders wichtig halte ich schnelles Handeln für geboten. Mich selbst würde es krank machen, in irgendeinem Lager zu Untätigkeit und Langeweile verdammt zu sein. Flüchtlinge dürfen drei Monate lang, nachdem sie einen Antrag auf Asyl gestellt haben, gar nicht arbeiten. Anschließend müssen sie noch auf ihre Anerkennung warten, was auch dauern kann. Eine Willkommenskultur kann sich m.E. nicht auf schnell verpuffende nette Gesten beschränken, sondern kann nur über Beschäftigung und eine Installation von Alltag erfolgen. Das Gefühl von Sicherheit erwächst aus einem geregelten Alltag. Sollte in einer Übergangs- oder Anfangsphase keine Entlohnung möglich ist, kann dies als Tauschgeschäft beginnen. Die deutsche Gesellschaft muss erhebliche Ressourcen aktivieren, um dem Flüchtlingsstrom zu bewältigen. Die einzelnen Personen können durch aktives Engagement der Gesellschaft etwas zurückgeben. Fatal ist die aktuelle Diskussion für ein Absenken des Mindestlohns. Wer einmal in dieser Falle steckt, kommt nur schwer wieder daraus hervor. Integration bedeutet in meinen Augen gleiche Leistung, gleiche Pflichten und gleiche Entlohnung. Sollte nicht genügend Geld vorhanden sein, sind Ausbildungsverträge möglich. Ausbildung im Betrieb, Besuch einer Berufsschule, theoretische wie praktische Übungen.

Wer arbeitet, erwirbt Schlüsselqualifikationen. Zunächst geht es um Sprachkenntnisse. Wer sich von Beginn an bemüht, zuzuhören und selbst zu sprechen, wird sich über schnelle Fortschritte freuen können. Aber es geht auch um das Verständnis, wie wir arbeiten und leben. Auf Dauer wird nur Erfolg haben, wer Eigenverantwortung übernimmt und sich aktiv in partnerschaftlich geführte Betriebe einbringt. Wer in eher autoritär geführten Strukturen gelebt und gearbeitet hat, sollte sich mit modernen, partizipativen Strukturen befassen und sich proaktiv integrieren.

In unseren Städten gibt es viel zu tun. Die Gartenämter haben die Pflegeintensität reduziert, weil weder Geld noch Personal vorhanden sind. Dem gärtnerischen Stolz ist resignierter Pragmatismus gewichen. Gleiches gilt für die Straßenreinigung, die Straßenunterhaltung, Spielplätze, die Schwimmbäder, Bibliotheken und die Unterhaltung der öffentlichen Gebäude. Die Zeit hat ihre Leser gefragt, wie vergammelt die deutschen Schulen sind. 3.000 Eltern beklagen: "Dort, wo die Grundlage für den Wohlstand von morgen gelegt wird, gleicht Deutschland einer Bildungsbaracke" (Die Zeit, 17.09.15). Legen wir also die Felder über einander, wo Handeln geboten ist: Infrastruktur und Flüchtlingsperspektive.

Es wurde schon häufiger versucht mit unterschiedlichsten Programmen Arbeit zu schaffen. Die Erfolge waren bescheiden. Ein Teil der Ursachen für Enttäuschungen ist sicherlich bei den Personen zu suchen. Nicht alle zeigten sich motiviert und leistungsbereit. Ein anderer Teil der Ursachen ist auch in der Art und Weise zu suchen, wie sich die Arbeitgeber gekümmert haben.

Die meisten Flüchtlinge sind vermutlich hochgradig motiviert und engagiert. Es wird ihnen wichtig sein, in möglichst kurzer Zeit eine eigene wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Insofern halte ich die Qualität der innerbetrieblichen Betreuung für den Schlüssel. Richtig gute Meister sollten Flüchtlinge ähnlich wie Auszubildende aufnehmen. Die Qualität der Arbeit ist dabei wichtiger als die Arbeitsmenge. Es kann durchaus sein, dass die Anzahl der geeigneten Meister und Führungskräfte in den kommunalen Betrieben nicht ausreicht. Hier halte ich Honorarverträge für Pensionäre oder auch Aufträge an externe Meister in privaten Unternehmen für sinnvoll. So könnte ein mehrjähriger Rahmenvertrag mit einem Betrieb aus dem Gas- und Wasserfach die Bedingung erhalten, dass ein Flüchtling ausgebildet wird und aktiv bei den zu erbringenden Leistungen eingebunden wird.

Es ist ein mehrjähriges Programm. Am Ende sollten stets Ausbildungszertifikate stehen. In viele Berufe sind Quereinstiege möglich. Die Prüfungen setzen in den meisten Fällen gute Kenntnisse der deutschen Sprache voraus. Dies erfordert vermutlich genauso viel Zeit, wie das praktische und theoretische Wissen eines Berufs zu erlernen.

Links
http://www.kommunaltechnik.net/news/fuhrpark/helfen-und-hilfe-annehmen/
http://www.zeit.de/2015/38/marode-schulen-kommunen-finanzen
http://www.f-bb.de/publikationen/leitfaden-fuer-die-bildungspraxis/leitfaden-fuer-die-bildungspraxis/pubinfo/kulturelle-vielfalt-im-betrieblichen-arbeitsalltag.html
http://www.iwkoeln.de/infodienste/iwd/archiv/beitrag/fluechtlinge-auf-der-suche-nach-einer-perspektive-241812

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