Um dem digitalen und demografischen Wandel erfolgreich zu begegnen und den zunehmenden Fachkräfteengpässen entgegenzuwirken, verspricht ein neuer Gesetzesentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil eine bessere Förderung der beruflichen Weiterbildung. Demnach wird allen Unternehmen, die ihre Beschäftigten weiterbilden möchten, eine höhere finanzielle Unterstützung zugesichert. Gleichzeitig sollen die Chancen für Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose am Arbeitsmarkt steigen. Von der Weiterbildungsförderung würden letztlich jedoch alle Beschäftigen – unabhängig von Qualifikation, Lebensalter und dem jeweils angehörenden Betrieb – profitieren.

Bisher erhielten nur Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern einen Zuschuss für die Weiterbildung. Zur Entlastung von Arbeitgebern und Beschäftigen sollen nun alle Unternehmen unter der Bedingung, dass die Betriebe sich an den Kosten beteiligen, die Möglichkeit auf eine staatliche Finanzierung erhalten. Für große Unternehmen beläuft sich die Förderungshöhe der Lehrgangskosten auf bis zu 25 Prozent. Kleinere Betriebe mit mindestens 10 Beschäftigten erhalten eine Unterstützung von maximal 50 Prozent. Besteht ein Unternehmen aus weniger als 10 Angestellten, so übernimmt die Bundesagentur für Arbeit die kompletten Weiterbildungskosten. Für ältere Mitarbeiter über 45 Jahren ist die betriebliche Größe unerheblich.

Die Voraussetzungen für eine Kofinanzierung oder eine vollständige Kostenübernahme der beruflichen Weiterbildung: Der Erwerb des Berufsabschlusses muss mindestens vier Jahre zurückliegen. Dasselbe gilt für die letzte mit öffentlichen Mitteln geförderte Weiterbildung der oder des jeweiligen Beschäftigten. Außerdem muss die Weiterbildung extern stattfinden und über einen Zeitraum von mehr als vier Wochen gehen. Die Förderung soll insbesondere Beschäftigten in Engpassberufen und denjenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugutekommen, deren Berufe vom technologischen Strukturwandel betroffen sind.

Da die Bundesagentur für Arbeit bis zum Ende dieses Jahres laut einer mittelfristigen Finanzschätzung eine Rücklage von rund 22,5 Milliarden Euro haben wird, sieht der Gesetzesentwurf zudem vor, den Arbeitslosenbeitrag zur Erleichterung von Arbeitgebern und Beschäftigten von 3,0 Prozent auf 2,6 Prozent zu senken. Gemäß den Gesetzesplänen sollen die Unternehmen dadurch mittelfristig um rund 2,5 Milliarden jährlich entlastet werden. Auswirkungen auf das Preisniveau soll es nicht geben.

Des Weiteren wird das Beratungsangebot der Bundesagentur für Arbeit ausgeweitet. Um präventiv auf eine mögliche oder bestehende Arbeitslosigkeit auf Seiten der Beschäftigen zu reagieren und die beruflichen Fähigkeiten zu fördern, wird neben der Berufsberatung künftig verstärkt auf Weiterbildungsberatungen gesetzt. Gleichzeit sollen Qualifizierungsberatungen Arbeitgebern möglichen Anpassungs- und Qualifizierungsbedarf im Betrieb aufzeigen. Die Bundesagentur für Arbeit möchte auf diese Weise auch während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses sowohl Arbeitnehmer- als auch Arbeitgeberseite unterstützen. Um die steigenden Antrags- und Nachweispflichten für Unternehmen zu entschädigen, soll der Zugang zu externen Weiterbildungsangebote vereinfacht werden.

Ob das geplante Gesetz der eigentlich notwendigen Risikoabsicherung der Arbeitslosigkeit und der Unterstützung von Arbeitslosen und von der Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen nutzt, ist jedoch zu bezweifeln. Unternehmen, die Weiterbildungen bisher vollständig selbst übernommen haben, erhalten nun zwar eine finanzielle Unterstützung, trotzdem liegt es nach wie vor an den Betrieben und den Beschäftigen selbst, sich für Weiterbildungen zu entscheiden. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft verbessert sich die Situation am Arbeitsmarkt dadurch nicht, vielmehr steigen durch die staatlichen Subventionen die Kosten für die Steuerzahler. Bei der geplanten Weiterbildungsfinanzierung sollte der Fokus insbesondere auf Geringqualifizierte gerichtet werden, da sie häufiger von Arbeitslosigkeit bedroht und gegenüber Weiterbildungen eher skeptisch sind. Auch die Altersbeschränkung könnte zu einem gegenteiligen Effekt des eigentlichen Ziels führen: Tendenziell sind ältere Akademiker eher daran interessiert, sich weiterbilden zu lassen. Für das Unternehmen fallen unter diesen Umständen keine Kosten an, bei Fortbildungen von jüngeren An- und Ungelernten dagegen schon.

Die Intention, Weiterbildungen für alle attraktiver zu gestalten, klingt vielversprechend – ob mit staatlichen Subventionen das gewünschte Ziel erreicht wird, bleibt unklar. Die Entscheidung zu einer Weiterbildung müssen letztlich sowohl die Betriebe als auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer treffen – von den Vorteilen einer höheren Qualifikation profitieren am Ende beide Seiten.

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales

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